: Susan Vreeland
: Lisette und das Geheimnis der Maler Roman
: Aufbau Verlag
: 9783841217141
: 1
: CHF 3.60
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 608
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Pari , 1937: Aus Liebe folgt Lisette ihrem Mann André aus der lebendigen Metropole in die südfranzösische Provinz - nach Roussillon, einem Dorf am Rande der legendären Ockerfelsen, in dessen Enge sie sich zunächst schwer zurechtfindet. Erst durch Andrés Großvater und seine Sammlung französischer Gemälde lernt sie die Schönheit des provenzalischen Landstrichs lieben. Als er stirbt und André nicht aus dem Krieg zurückkehrt, muss Lisette die Bilder finden, die ihr Mann vor den Nazis versteckt hat. Sie hofft, während ihrer Suche nicht nur die Bilder zu retten, sondern auch ihr persönliches Glück ...



Susan Vreeland studierte in San Diego, Kalifornien, wo sie Englische Literaturwissenschaft und Creative Writing unterrichtete. Sie ist Autorin zahlreicher New-York-Times-Bestseller, die in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt wurden und in denen es oftmals um Schicksale in der Geschichte der Kunst geht.

Mehr Informationen zur Autorin unter www.susanvreeland.com

Kapitel 1


Der Weg nach Roussillon
1937

Reisende eilten zum Bahnhof von Avignon, Botenjungen kurvten auf klapprigen Fahrrädern um Kinder und Pferdekarren herum, Autofahrer hupten. Doch André stand ganz ruhig da und aß den Apfel, den er an einem Obststand gekauft hatte. Ich blieb dicht bei unseren Reisetaschen, Koffern und den Kisten mit allem, was wir aus unserer Pariser Wohnung mitgenommen hatten. Andrés Werkzeug war darunter und der Traum von meiner beruflichen Zukunft, den ich geopfert hatte.

»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«, fragte ich.

»Ja, Lisette.« André zupfte ein handtellergroßes Blatt von einer Platane und legte es auf das Kopfsteinpflaster. Dann tippte er mit dem Zeigefinger auf meine Nase und deutete auf das Platanenblatt. »Pass auf, der Bus wird genau hier halten. Mit dem rechten Vorderreifen auf diesem Pflasterstein.« Er drückte meine Hand. »Im Süden Frankreichs geschieht alles nach festen Regeln.«

Zu diesen südfranzösischen Regeln gehörte offenbar nicht, dass die Busse wie in Paris fahrplanmäßig verkehrten. Auch das Licht in Paris war anders. Hier sprang es einem in die Augen, brachte Farben zum Leuchten und berührte die Seele. Ohne dieses Licht hätte ich die Schönheit eines kleinen einfachen Platzes – ganz anders als die Plätze in Paris – niemals bemerkt. Vor mir lag ein schimmerndes Aquarell und zeigte Männer mittleren und fortgeschrittenen Alters, die unter einer Platane auf einer Bank saßen – weiße Hemden unter einem kornblumenblauen Himmel, der durch die Lücken im tiefgrünen Laub blitzte. Die Männer knabberten Mandeln, reichten die Tüte von einem zum anderen, sprachen vielleicht von früheren Zeiten. Sie wirkten zufrieden, wie sie da saßen, wohingegen ich André meine Hand entzog, eine Runde um den bescheidenen Berg unserer Habseligkeiten drehte und währenddessen spürte, wie sein Blick mir folgte.

»Schau dir die Männer an«, sagte André leise. »Gehören alle zum Heiligen Orden der Baskenmützenträger.« Er schmunzelte angesichts seiner einfallsreichen Formulierung.

Zu guter Letzt kam ein kastenartiger kleiner Bus, der unter den großen Rostflecken früher einmal orangerot gewesen sein musste. Er hielt an, das rechte Vorderrad zerdrückte