Singer setzte sich wieder. Er saß lange da und starrte vor sich hin.
»Der Tod ist zu grausam«, sagte er schließlich. »Er lässt sich unmöglich erfassen. Nicht mit unserem Verstand, und auch nicht mit unseren Gefühlen. Er macht uns verlogen. Was immer wir sagen, auch wenn es eine Tatsache ist, wird geschmacklos, sobald wir ihm gegenüberstehen. Hätte ich dir erzählt, was ich jetzt empfinde, wäre dir schlecht geworden. Ich habe dir nur einen kleinen Ausschnitt geschildert, dir eine kleine exakte Information gegeben, nämlich dass Merete und ich ein paar Wochen vor Meretes Tod beschlossen hatten, uns scheiden zu lassen. Dass der Mann, der die Todesnachricht in seiner Eigenschaft als ihr engster Vertrauter empfangen hat, aufgrund einer gemeinsam getroffenen Entscheidung ein Mann war, der keine Bedeutung mehr für sie hatte. Das zu erfahren erfüllt dich mit Unbehagen. Diese einfache exakte Information. Ich hätte sie für mich behalten sollen. Ja, ich weiß es, aber ich musste mich jemandem anvertrauen. Mich anvertrauen? Warum sage ich, mich jemandem anvertrauen? Es gibt doch nichts, das ich jemandem anvertrauen müsste. Trotzdem vertraue ich mich dir an. Und das hätte ich besser unterlassen. Denn indem ich es tue, tritt etwas Abscheuliches zutage. Nicht weil Merete und ich uns scheiden lassen wollten. Sondern weil ich es jetzt sage, nachdem Merete tot ist und bevor wir geschieden wurden.«
»Schwierige Dinge sprichst du hier an«, sagte der andere, der Mann seiner Kollegin. »Ist es nicht besser, wenn du noch etwas wartest, bevor du darüber nachdenkst? Wenn du etwas mehr Abstand bekommst?«
»Was du mir vorwirfst, ist, dass ich sie nicht geliebt habe. Du wirfst mir vor, dass ich bei ihrem Anblick nicht länger Freude empfunden habe. Und das stimmt, ich empfand bei ihrem Anblick nicht länger Freude. Trotzdem empfinde ich Trauer.«
»Ich weiß, dass du Trauer empfindest«, sagte der andere. »Das sehe ich ja, du sitzt ja völlig niedergedrückt da, darum sprichst du so, wie du sprichst.«
»Ja, aber ich verspüre keine persönliche Trauer. Meine Trauer ist allgemeiner Natur, wenn du verstehst, was ich meine. Erträgst du es, wenn ich dir von meiner Trauer erzähle?« Der imaginäre andere nickte. Und Singer fuhr fort. »Ich stelle mir Meretes Gesicht im Augenblick des Todes vor. Ihren ungläubigen Gesichtsausdruck, als sie begreift, was passiert. Es ist nicht schwer, sich das vorzustellen, es ist fast unmöglich, es sich nicht vorzustellen. Ein Mensch hat ja anderen gegenüber eine begrenzte Mimik. Denk selbst mal darüber nach, wenn du dir ein Bild von einem anderen Menschen machst, es mögen drei oder vier typische Gesichtszüge sein, mehr nicht. Es ist die Eigenart des anderen als Bild. Ich kannte alle Gesichtsausdrücke von Merete und hatte aufgehört, mich über sie zu freuen. Um ehrlich zu sein, war ihre Mimik für mich bedeutungslos geworden. Doch d