Sebastian Knight wurde am 31. Dezember 1899 in der ehemaligen Hauptstadt meiner Heimat geboren. Eine alte russische Dame, die mich aus einem dunklen Grunde bat, ihren Namen nicht zu nennen, zeigte mir in Paris zufällig einmal das Tagebuch, das sie in vergangenen Zeiten geführt hatte. So ereignislos waren jene Jahre (dem Anschein nach) verlaufen, dass die Sammlung täglichen Einerleis (die immer eine armselige Art der Selbstbewahrung ist) kaum mehr enthielt als kurze Wetterbeschreibungen; und es ist merkwürdig, dass sich auch die persönlichen Aufzeichnungen von Staatenlenkern, welche Bedrängnisse ihre Reiche sonst auch heimsuchen, vorzugsweise an denselben Gegenstand halten. Wie es so geht, wenn man das Glück sich selbst überlässt – hier bot sich mir, was ich bei planmäßiger Suche vielleicht niemals aufgetrieben hätte. So bin ich in der Lage mitzuteilen, dass es ein schöner, windstiller Morgen war, als Sebastian geboren wurde, und zwölf Grad (Réaumur) unter null … Das jedoch ist auch schon alles, was die gute Frau der Niederschrift für wert gehalten hatte. Bei nochmaligem Nachdenken sehe ich eigentlich keine Notwendigkeit, ihre Anonymität zu wahren. Dass sie dieses Buch jemals zu Gesicht bekommt, ist überaus unwahrscheinlich. Ihr Name war und ist Olga Olegowna Orlowa – eine eierbetonte Alliteration, die für mich zu behalten jammerschade gewesen wäre. Ihr trockener Bericht kann dem unbereisten Leser kaum die Freuden eines St. Petersburger Wintertages vermitteln, wie sie ihn beschreibt; den reinen Luxus eines wolkenlosen Himmels, nicht dazu bestimmt, den Körper zu wärmen, sondern allein, dem Auge zu gefallen; das Glitzern von Schlittenspuren im festgestampften Schnee weiter Straßen, mit einer bräunlichen Tönung an den mittleren Spuren, die vom reichlichen Pferdemist herrührte; das bunte Luftballonbündel, das ein geschürzter Händler feilbot; den sanften Bogen einer Kuppel, deren Gold der Anhauch puderigen Frostes getrübt hatte; die Birken in den Parkanlagen, bei denen auch noch der winzigste Zweig weiß umsäumt war; das Scharren und Läuten des winterlichen Verkehrs … Und wie seltsam übrigens auch, wenn einem bei der Betrachtung einer alten Postkarte (wie jener, die ich vor mir auf den Tisch gelegt habe, um das Kind Erinnerung einen Augenblick lang zu unterhalten) zu Bewusstsein kommt, wie die alten russischen Droschken aufs Geratewohl irgendwo und irgendwie abbogen, sodass man statt des geraden und eingedämmten modernen Verkehrsstromes – auf dieser kolorierten Photographie – einer traumweiten Straße ansichtig wird, wo die Droschken kreuz und quer stehen und fahren, unter einem unglaubwürdig blauen Himmel, der sich weiter entfernt automatisch in einen rosa Tupfen mnemotechnischer Banalität auflöst.
Ich war nicht in der Lage, ein Bild von Sebastians Geburtshaus zu bescha