: Vladimir Nabokov
: Gelächter im Dunkel
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644002302
: 1
: CHF 10.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 272
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Es war einmal ein Mann, der hieß Albinus und lebte in der deutschen Stadt Berlin. Er war reich, angesehen und glücklich; um eines jungen Mädchens willen verließ er eines Tages seine Frau; er liebte; wurde nicht geliebt; und sein Leben endete in einer Katastrophe... Vladimir Nabokovs berühmter Roman aus dem Berlin der zwanziger Jahre, eins der letzten Werke, die er auf Russisch verfasste.

Vladimir Nabokov wird am 22. April 1899 in St. Petersburg geboren. Nach der Oktoberrevolution flieht die Familie 1919 nach Westeuropa. 1919-1922 in Cambridge Studium der russischen und französischen Literatur. 1922-1937 in Berlin, erste Veröffentlichungen, meist unter dem Pseudonym W. Sirin. 1937-1940 nach der Flucht aus Nazideutschland in Südfrankreich und in Paris, seit 1940 in den USA. 1961-1977 wohnt Nabokov im Palace Hotel in Montreux. Er stirbt am 2. Juli 1977.

Kapitel 2


Albinus hatte nie viel Glück gehabt in Herzensdingen. Obwohl er gut aussah, auf eine ruhige, wohlerzogene Art, war es ihm irgendwie nie gelungen, seine Anziehungskraft auf Frauen praktisch zu nutzen – denn sein freundliches Lächeln und die sanften blauen Augen, die ein wenig hervortraten, wenn er angestrengt nachdachte (und da er langsam im Begreifen war, geschah dies öfter als angebracht), hatten etwas durchaus Einnehmendes. Er war ein guter Unterhalter, mit jenem ganz leichten Stocken in seiner Sprechweise, nahezu einem Stottern, das selbst der abgestandensten Phrase frischen Charme verleiht.Last but not least (denn er war in einer gemütlichen deutschen Welt zuhause) hatte ihm sein Vater ein solide investiertes Vermögen hinterlassen; dennoch pflegten Romanzen irgendwie platt zu werden, sobald sie seinen Weg kreuzten.

In seiner Studentenzeit hatte er eine langweilige Liaison der schwergewichtigen Art mit einer traurigen, ältlichen Dame, die ihm später, während des Krieges, purpurrote Socken an die Front schickte, juckende Wollsachen, enorme leidenschaftliche Briefe, mit Höchstgeschwindigkeit in einer wilden, unleserlichen Handschrift auf Pergamentpapier geschrieben. Dann war da die Affäre mit der Frau des Herrn Professors, die er am Rhein getroffen hatte; sie war hübsch, wenn man sie aus einem bestimmten Blickwinkel und in einem bestimmten Licht betrachtete, aber so kalt und spröde, dass er sie bald fallen ließ. Schließlich gab es da in Berlin, kurz vor seiner Heirat, eine magere, trübselige Frau mit hausbackenem Gesicht, die an jedem Samstagabend zu kommen pflegte und ihm dann ihre gesamte Vergangenheit in allen Einzelheiten berichtete, immer wieder die gleichen gottverdammten Sachen, matt in seinen Umarmungen seufzte und stets mit der einzigen französischen Redewendung endete, die sie kannte:«C’est la vie.» Schnitzer, Missgriffe, Enttäuschung; sicher war der Cupido, der ihm zu dienen suchte, ein Linkshänder mit fliehendem Kinn und ohne Phantasie. Und neben diesen blassen Romanzen hatte es Hunderte von jungen Frauen gegeben, von denen er geträumt, die er aber niemals kennen gelernt hatte; sie waren einfach an ihm vorbeigegangen und hatten ein oder zwei Tage lang jenes hoffnungslose Gefühl hinterlassen, das Schönheit zu dem macht, was sie ist: ein ferner einsamer Baum vor goldenen Himmeln; Lichtkringel an der Innenbeuge einer Brücke; etwas, das sich nicht fangen lässt.

Er heiratete, und obwohl er Elisabeth in gewisser Weise liebte, blieb sie ihm jenen Reiz schuldig, nach dem zu verlangen er müde geworden war. Sie war die Tochter eines bekannten Theaterdirektors, ein geschmeidiges, schmächtiges, blondes Fräulein mit farblosen Augen und rührenden Pickelchen genau über einer kleinen Nase von jener Art, die englische Romanschriftstellerinnen«retroussée» nennen (man beachte