Kapitel 1
Der riesige schwarze Uhrzeiger steht noch still, wird aber gleich seine Einmal-pro-Minute-Geste vollziehen; und dieser federnde Ruck wird eine ganze Welt in Bewegung setzen. Das Zifferblatt wird sich langsam abwenden, voller Verzweiflung, Verachtung und Langeweile, so wie einer nach dem anderen die Eisenpfeiler vorbeiwandern und das Gewölbe der Bahnstation als gleichmütige Gebälkträger fortschleppen werden; der Bahnsteig wird sich vorbeibewegen und Zigarettenstummel, verbrauchte Fahrkarten, Sonnenflecke und Spucke mit auf eine unbekannte Reise nehmen; ein Gepäckkarren wird mit bewegungslosen Rädern vorbeigleiten; ihm wird ein Zeitungsstand folgen, behängt mit verführerischen Illustriertentiteln – Photographien von nackten perlgrauen Schönen; und Menschen, Menschen, Menschen auf dem sich bewegenden Bahnsteig, die ihrerseits ihre Füße bewegen und doch still stehen, vorwärts streben und doch zurückweichen wie in einem quälenden Traum voller unglaublicher Anstrengung, Übelkeit, baumwollene Schwäche in den Schenkeln, werden rückwärts branden, fast rücklings fallen.
Es waren mehr Frauen da als Männer, wie immer bei Abschieden. Franz’ Schwester, die Blässe der frühen Stunde auf ihren schmalen Wangen und mit einem unangenehmen Geruch aus dem leeren Magen, bekleidet mit einem karierten Umhang, wie ihn ein Mädchen aus der Stadt gewiss nie trüge; und seine Mutter, klein, rundlich, ganz in Braun wie ein kompakter kleiner Mönch. Sieh die Taschentücher, wie sie zu flattern beginnen.
Und nicht nur es glitt hinweg, dieser beiden vertrautes Lächeln; nicht nur brach der Bahnhof auf und räumte seinen Zeitungsstand weg; seinen Gepäckkarren und einen Verkäufer von belegten Brötchen und Obst, der so leckere, pralle, klumpige, glänzend rote Erdbeeren hatte, die wahrhaft danach schrien, dass man hineinbeiße, und alle ihre Samenkerne verkündeten ihre Ähnlichkeit mit den Geschmacksknospen unserer Zunge – doch ach und schon dahin; nicht nur fiel alles dies zurück; das ganze alte Städtchen in seinem rosigen Herbstmorgennebel bewegte sich ebenfalls: der große steinerne Herzog auf dem Marktplatz, der dunkle Dom, die Ladenschilder – ein Zylinderhut, ein Fisch, das Kupferbecken eines Friseurs. Nichts konnte jetzt die Welt mehr halten. In großem Stil ziehen Häuser vorüber, die Vorhänge flattern in den offenen Fenstern seines Elternhauses, dessen Dielen krachen ein wenig, die Mauern knirschen, Mutter und Schwester trinken ihren Morgenkaffee im schnellen Luftzug, die Möbel erbeben von den sich beschleunigenden Stößen, und immer noch schneller, noch geheimnisvoller fahren die Häuser, der Dom, der Marktplatz, die Seitenstraßen dahin. Und obwohl jenseits des Zugfensters längst schon bestellte Felder ihr Flickenwerk entfalteten, fühlte Franz in den Knochen doch immer noch das Zurückweichen des Städtchens, in dem er seit zwanzig Jahren gelebt hatte. Außer Franz enthielt das Dritte-Klasse-Abteil mit Holzbänken zwei alte Damen in Kord