Der Vorhang wallte, wieder angestoßen von schwüler Luft, ins Zimmer hinein und wich knapp vor dem Fauteuil zurück, ohne Immerjahn zu berühren, der dort mit offenen Augen saß. Er starrte auf den durchsichtigen Stoff und versuchte sich zu sammeln. Trübe taumelten die sinkenden Brocken eines Traumes vor seinen Augen, um die Beine strichen ihm weiße Tiere, die verblassten, dann gänzlich verschwanden. Während er die Wärme ihrer Körper noch schwach an den Waden spürte, versuchte er sich bereits vergebens an ihre Form, ihre Größe zu erinnern, größer als kleine Katzen und kleiner als große Hunde waren sie gewesen, aber Gesichter, die ihre Zuordnung erlaubt hätten, hatten sie keine gehabt.
Immerjahn rieb sich die Augen, er durfte sie nicht mehr schließen, er musste sich jetzt sofort um jemanden kümmern, der ihm half. Er hatte Polly am Vormittag entlassen. Schenkte seiner ehemaligen Assistentin, obwohl sie nicht weinte, das Taschentuch, in das seine Großmutter ein schnörkeligesI gestickt hatte, und setzte sich im Salon seines Anwesens zornig an den Computer. Er tat so, als sehe er nicht, wie sie das Taschentuch auf das Bukett aus Rosen, Tulpen und gelber Iris warf, was ihn aber nicht störte, weil sein Stoff von der gleichen Farbe wie die Blütenblätter der blassen Schwertlilie war, auf der es hängen blieb, die den ganzen Strauß dominierte.
Ja, er war erleichtert, aber er fühlte sich auch ein wenig verwirrt. Er hatte nicht vorgehabt, sie zu entlassen, und es war ungewohnt, schon graute ihm, an die Eröffnung zu denken, ohne Polly in die Planung einzubeziehen. Nach dem Mittagessen hatte er das Speisezimmer verlassen, um etwas aus dem ersten Stock zu holen, hatte aber, sobald er dort gewesen war, nicht mehr gewusst, was er tun wollte, und er konnte sie nicht anrufen. Er war durch das Onyx-Badezimmer und das gläserne über den Flur gestreift, war wieder die Treppen hinuntergestiegen und in den Salon zurückgekehrt und hatte sich auf den Fauteuil gesetzt, in dem er dann eingeschlafen war.
Eine Sekunde kam es ihm vor, als fehlte nicht mehr viel, bis aus seinem Anwesen ein Museum geworden sein würde, dann aber geriet er ins Schwanken. Sie hatten heute Nachmittag die Öffnung des Hagebuttenbergs bekanntgeben wollen, im gleichen Atemzug den Termin der Eröffnung. Auf den neunundzwanzigsten August hatten sie ihn festgelegt, in knapp zwei Wochen war das. Bevor er aber irgendeinen Schritt unternahm, musste er sich einen Überblick verschaffen. Das Problem war nur, dass heute schon jemand von denHeften für Kunst und Denkmalpflege hier gewesen war, der alles fotografiert hatte, und alles, was sie sagten, aufgeschrieben, in dreizehn Tagen würde der Fotograf für die abschließenden Aufnahmen wiederkommen, und der Bericht über die Rückführung seiner Mies-van-der-Rohe-Villa in den Originalzustand würde exakt einen Tag später, anlässlich der Eröffnung des Museums, erscheinen. Es ließ sich also nichts mehr verschieben.
Seine Gemäldesammlung war so groß und der Hagebuttenberg war mindestens zwanzig Jahre vollkommen abgeschottet gewesen, und er fühlte sich unwohl bei dem Gedanken an Hunderte, die um den Brunnen des Vorplatzes versammelt standen und in sein Haus wollten. Im Dorf raunte man, auf dem Hagebuttenberg seien die Zimmer der Nachfahren des Zementfabrikanten Benedickt Immerjahn sen., die Wände, die Böden mitsamt der aus ihnen emporwachsenden Möbel aus Zement gegossen. Im Reflexionsbecken hielten sie sich Regenbogenforel