Einleitung
Welcome to the Club!
»Die höchste Form der Hoffnung ist die überwundene Verzweiflung.«
Albert Camus (1913–1960),
französischer Schriftsteller und Philosoph
Liebe Leserin, lieber Leser,
wir gehen davon aus, dass Sie dieses Buch aus gutem Grund in die Hand genommen haben. Vielleicht stecken Sie selbst mitten in einer Trennung. Vielleicht zweifeln Sie noch und sind sich nicht sicher, ob die Trennung unvermeidlich ist. Vielleicht haben Sie die Trennung gerade hinter sich.
Egal, in welchem Stadium Sie sich befinden: Wir wissen, was Sie mit- und durchmachen. Dieter und ich sind Erfahrungsexperten. Und zwar an beiden Fronten: Wir waren nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Wir haben verlassen – und sind verlassen worden. Wir wissen, was es heißt, zu enttäuschen und zu verraten, Schmerz zuzufügen und im Stich zu lassen. Genauso gut wissen wir, was es bedeutet, sich verraten zu fühlen, wir kennen die tiefe Verzweiflung und die Leere, wenn das Unerwartete eintritt. Das Gefühl, dass einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Die Panik und die Angst. Den Schock. Das Gefühl, verrückt geworden zu sein, seine Identität zu verlieren, ohne Narkose amputiert zu werden – und diesen Schmerz regelrecht körperlich zu erfahren.Love hurts.
Wir kennen auch die Wut, den tiefen Groll und die heftigen Rachegelüste, die dem Schmerz folgen. Erst recht, wenn sich herausstellt, dass der andere längst in einer Parallelbeziehung lebt und die Demütigung ungeahnte Ausmaße annimmt.
»Das wirst du dein Leben lang bereuen, das wird dich bis ins Grab verfolgen!«, habe ich, Kerstin, bei meiner ersten Trennung meinem Ex zum Abschied gesagt, als er mich nach zwölf Jahren gegen eine andere eintauschte. Eine Art hilfloser Fluch war es, der mir zumindest für den Moment eine gewisse Genugtuung verschaffte. Ein offensichtlich universeller Fluch, denn genau dieselben Worte hörte ich rund fünfzehn Jahre später wieder, als ich diejenige war, die Schluss machte.
Mit den ersten Recherchen zu diesem Buch hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen. Die Idee war entstanden, als ich mein Buch100 Jahre Leben vollendete. Dafür hatte ich Hundertjährige in ganz Europa aufgesucht, um mit ihnen über die großen Themen des Lebens zu sprechen: Liebe und Leiden, Verlust und Tod. Diese uralten Menschen führten mir vor Augen, wie wichtig es im Leben immer wieder ist, die Kraft und den Mut zu finden, loszulassen, nach vorn zu schauen. Das Abschiednehmen war stets zentral in ihren Erzählungen. Aber wie sich dafür rüsten?
Ich beschloss daraufhin, mich ganz dem Phänomen der Trennung zu widmen, einer Erfahrung, die abgesehen von Krankheit und Krieg, Tod und Terror zu den schmerzhaftesten im Laufe eines Menschenlebens gehört – aber die gleichzeitig fast schon so normal geworden ist, dass sie zum Leben dazugehört. Wie Kinderkriegen oder ein Gipsbein. Allein in Deutschland ist inzwischen jedes dritte Ehepaar davon betroffen, denn jede dritte Ehe geht nach durchschnittlich fünfzehn Jahren in die Brüche; in Großstädten soll es sogar jede zweite sein. Die Anzahl der Trennungen nicht verheiratet gewesener Paare gar nicht mitgerechnet.
Ich hatte mich gerade auf die Suche nach Menschen gemacht, die mir zu erzählen bereit waren, wie sie ihre eigenen Trennungen gemeistert hatten. Da wurde ich von dem Thema eingeholt und erlebte meine eigene Trennung.
Und obwohl ich dieses Mal nicht die Verlassene war, sondern diejenige, die verließ, geriet meine Welt ein zweites Mal aus den Fugen. Denn auch der, der verlässt, leidet und zweifelt, ringt mit turmhohen Schuldgefühlen, schwimmt in einem Ozean an Selbstvorwürfen: H