Mit der Gesundheit meiner dreiundachtzigjährigen Mutter ging es seit Anfang September rapide bergab. Die Untersuchungen ergaben, dass kein Krebs dahintersteckte; alle Organe funktionierten, wie man es bei einer Frau ihres Alters erwarten konnte. Allerdings schrumpfte ihr Gehirn – etwas, was laut Aussage des Arztes das Hirn eines jeden tut, was mich auf beunruhigende Weise beruhigte.
Ich befand mich in der Leeres-Nest-mit-alternden-Eltern-Phase. Meine beiden Kinder – eine Tochter, Caitlin, und ein Sohn, Angus – wohnten anderthalb Stunden mit dem Bus entfernt in Madison, Wisconsin. Caitlin ist die Ältere. Sie hat einen Master in Journalismus und strebt gerade ihren Doktor an. Sie ist blond, witzig, hübsch. Angus ist vier Jahre jünger, charmant, gut aussehend, umsichtig und fürsorglich. Er kann keinen Film sehen, in dem ein Hund vorkommt, ohne vorher zu wissen, ob der Hund stirbt oder nicht. Als Mutter bin ich natürlich verpflichtet, sie zu lieben, aber was viel wichtiger ist: Ich mag sie wirklich richtig, richtig gern. Ich bin mit ihnen auf Facebook befreundet, allerdings unter einer Bedingung: Ich darf nichts kommentieren.
Die Letzten, die noch durchs Haus polterten, waren ich und mein geduldiger Ehemann Mark, den ich in einer kalten Novembernacht in einer Bar kennengelernt hatte. Das war in den toupierten Achtzigern. Er hatte den besten Baggerspruch aller Zeiten. Ich war allein. Er war allein. Er kam zu mir und fragte: „Darf ich dich was fragen?“
„Klar“, antwortete ich.
„Äh … warst du auf einer katholischen Mädchenschule?“
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, denn – ja – ichbin auf eine katholische Mädchenschule gegangen.
„Du hast einfach so eine Aura“, sagte er dann.
„Kariert und plissiert?“, fragte ich.
Und dann gab es da noch ein weiteres Lebewesen, das unser Domizil nach dem Auszug der Kinder sein Zuhause nannte: unseren siebenjährigen schwarzen Labrador Seamus.
Offiziell entstammt er einer Arbeitslinie, also der sportlichen Labradorzuchtvariante, die vornehmlich in der Jagd eingesetzt wird und schlanker und leichter ist als Labradore aus Showlinien. Aber Seamus ist stämmig und hat vergleichsweise kurze Beine. Seine Pfoten sind groß wie Paddel. Seine Rute kann mit Leichtigkeit einen Couchtisch leer fegen, auf dem alles für einen Footballabend vor dem Fernseher bereitsteht – einmal Wedeln und schon finden sich Schüsseln mit Chips, Dips und Salsa auf dem Boden wieder. Spielstände interessieren Seamus überhaupt nicht, dafür ist er viel zu sehr damit beschäftigt, die Reste vom Teppich zu schlecken.
Während der Monate, in denen sich der Zustand meiner Mutter immer weiter verschlechterte, brauchte ich Mark, Caitlin und Angus hauptsächlich, um Frust abzulassen – darüber, wie sehr die Situation meinen Vater belastete, über das mangelnde Mitgefühl meiner Schwester und über mein Gefühl von Hoffnungslosigkeit, von Wut un