Als der rote Komet durch die Dunkelheit zischte und Mond und Sterne blutrot färbte, schwammen die drei Bärenjungen Stellan, Jytte und Drei durch die Eisschollen der N’yrthgar-Meerengen. Die Monde des Sterbenden Eises nahten, und die Rinnen, die das Nunquivik-Meer mit dem Wintermeer der Nordlande verbanden, waren mit hüpfenden Eisschollen übersät. Seite an Seite durchpflügten die Gefährten das Labyrinth aus zerborstenen Eisbergen, die träge in den Strömungen dümpelten, und alle drei hatten die ganze Zeit nur einen Gedanken im Kopf. Sie mussten Svenna retten, die Mutter von Jytte und Stellan, und mit ihr die ganze bedrohte Bärenwelt.
Svenna war von den Zeithütern entführt worden, den grausamen Bären, die über das Eiskap herrschten. Diese Zeithüter beteten die Große Eisuhr an und versuchten mit allen Mitteln, auch das restliche Königreich der Bären in ihre Gewalt zu bringen. Ihre Methoden waren entsetzlich – sie schreckten nicht einmal davor zurück, hilflose Milchjunge zu entführen, um sie der Uhr zu opfern. Svennas eigene Junge, Stellan und Jytte, waren diesem grässlichen Schicksal nur entkommen, weil Svenna an ihrer Stelle zum Eiskap gegangen war, um der Uhr zu dienen. Die beiden Jungen wären am liebsten sofort losgestürmt, um sie zu retten, als sie das erfahren hatten. Aber Skagen, ihr weiser Lehrer, hatte sie ermahnt: „Ihr könnt eure Mutter nur befreien, indem ihr eure eigene Art befreit.“ Mit „eigener Art“ bezeichnete er alle anständigen Bären, deren Lebenswelt von den Tyrannen am Eiskap bedroht wurde.
Es gab nur einen Weg, Svenna zu retten: Sie mussten die Eisuhr und die Macht des Groß-Patek zerstören, des obersten Zeithüters. Aber zuallererst mussten sie ihren Vater finden, einen berühmten Rebellen namens Svern, der lange gegen die Zeithüter gekämpft hatte. Er war seit Jahren spurlos verschwunden. Es hieß, er sei in die Nordlande zurückgegangen, zu dem sagenumwobenen Bau des Immerfrosts.
„Unser Vater muss irgendwo ganz in der Nähe sein. Ich spüre es“, sagte Jytte. Ihre Stimme bebte vor Aufregung.
Stellans Herz zog sich zusammen, wenn er seine Schwester so reden hörte. Er wusste ja, wie sehr sie sich nach ihrem Vater sehnte, den sie noch nie gesehen hatten. Aber inzwischen stand viel mehr auf dem Spiel als nur ihre Familie.
„Es geht nicht nur um Pa, Jytte. Wenn wir ihn finden, müssen wir ihn auf unsere Seite bringen, damit er uns hilft, die Eisuhr zu zerstören. Und dann müssen wir das auch wirklich tun.“ Er merkte selbst, wie brüchig seine Stimme klang, und einen Augenblick konnte er nicht weitersprechen, weil er Angst hatte, in Tränen auszubrechen.
Jytte patschte mit ihrer Pfote ins Wasser. „Willst du mir etwa vorwerfen, dass ich das alles nicht ernst genug nehme, Stellan? Mir ist unsere Mission genauso wichtig wie dir, damit du es weißt!“
„Aber du redest immer nur von Pa, obwohl es doch um etwas viel Größeres geht.“
Drei schaute bekümmert von Jytte zu Stellan. Er war der kleinste von allen und musste häufig als Friedensstifter einspringen, wenn die Geschwister sich wieder einmal in die Haare gerieten. Als Svenna den Meuchlerbären folgen musste, hatte sie Stellan und Jytte zu Dreis Mutter Taaka gebracht, eine Bärin, die sich als falsch und herzlos entpuppte. Die beiden Jungen waren aus dem Bau geflohen, um ihr Leben zu retten. Und schließlich war auch Drei weggelaufen, der kleinste von Taakas Wurf, weil seine Mutter ihn grausam misshandelt hatte.
„Ihr habt beide recht“, sagte Drei jetzt sanft. „Es ist nicht einfach, Svern von unserer Mission zu trennen. Aber das Wichtigste ist, dass wir die Uhr zerstören, ob wir ihn finden oder nicht.“
„Er ist irgendwo beim Bau des Immerfrosts. Ganz bestimmt!“, beharrte Jytte trotzig. Sie glaubte felsenfest daran, dass sie Svern finden würden, und wollte nichts anderes hören. „Skagen hat es doch gesagt.“
„Skagen hat gesagt, dass erwahrscheinlich dort ist, Jytte. Er war sich nicht sicher“, wandte Stellan vorsichtig ein. Er musste Geduld mit seiner aufbrausenden Schwester haben, damit sie nicht aus dem Fell fuhr vor Zorn.
„Wir kommen näher.“ Jytte hörte auf zu paddeln, legte ihren Kopf zurück und sah zum Himmel auf. „Vergiss nicht, Skagen hat gesagt, diese Meerengen schlängeln sich nach Süden und Westen und münden in die Fjorde – die Fjorde, wo unsere Mama und unser Pa aufgewachsen sind. Er hat es