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Im Rückspiegel waren nur ihre Augen zu sehen. Es waren die Augen ihres Großvaters, und Nour musste keine Sekunde überlegen, woran das lag.
Sie hatten dasselbe dunkle Braun, auch die geschwungene Linie der Wimpern war gleich, und beim Lachen verwandelten sie sich wie bei ihm in zwei Botschafter der Unbeschwertheit. Wenn sie aber gerade in diesem Moment darin so deutlich und klar den Blick ihres Vaters wiederfand, lag das an dem kleinen, ehrlichen Zorn, der in ihnen brannte.
Auch wenn Najim seit vielen Jahren tot war, erkannte Nour diese Eigenschaft sofort und mühelos, weil es bis zu seinem Tod genug Gelegenheiten in ihrem Leben gegeben hatte, in denen sie ihm begegnet war. Damals hatte dieser Zorn sie immer in Angst versetzt, sobald seine ersten Anzeichen aufzogen, meist große Angst, die oft berechtigt gewesen war. An diesem Morgen auf dem Rückweg von der Koranschule musste sie lächeln und sich bemühen, dass Huriye dieses Lächeln nicht bemerkte.
»Wir können ja schauen, ob wir andere bekommen. Vielleicht müssen es gar nicht diese sein.«
Im Rückspiegel zeigte sich in den kleinen dunklen Schlitzen keine Reaktion.
»Was hältst du davon.«
Ein kurzes Schnaufen war die Antwort.
Zwei rote Ampelphasen ließ sie ihrer Tochter Zeit, aber Huriye blieb stumm.
»Du willst mir nicht sagen, was du davon hältst?«
Wieder kein Wort.
Ein paar Momente forderte der Verkehr auf der Münsterstraße Nours Aufmerksamkeit, weil ein röhrender schwarzer Daimler Slalom fuhr und sie schnitt, dann bot ihr der Blick nach hinten dasselbe Bild.
»Andere Mütter sind viel netter zu ihren Kindern.«
»So, sind sie das?«
»Ja, Leylas Mutter hat ihr auch solche gekauft. Die ist viel, viel lieber als du.«
Auch wenn sie der kindlichen Enttäuschung einiges zugutehalten konnte, traf sie dieser Satz mehr, als sie es wollte.
»Mütter sind anders zu ihren Kindern, wenn sie sie lieb haben.«
»Du meinst, sie erfüllen ihnen alle Wünsche?«
»Jedenfalls manchmal.« Huriye machte eine kleine Pause. »Und wenn sie sich etwas sehr wünschen.«
»Ich weiß, dass du es dir sehr wünschst.«
»Nein, weißt du nicht. Weil du mich gar nicht lieb hast.«
Für einen Moment war Nour nicht imstande, etwas zu