: Dr. Mai Thi Nguyen-Kim
: Komisch, alles chemisch! Handys, Kaffee, Emotionen - wie man mit Chemie wirklich alles erklären kann
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426453490
: 1
: CHF 10.00
:
: Natur, Technik
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der SPIEGEL-Bestseller jetzt im Taschenbuch! Chemie ist alles - was wir tun, was uns umgibt, was wir fühlen, alles hat mit Chemie zu tun. Glauben Sie nicht? Dr. Mai Thi Nguyen-Kim tritt in diesem spannenden Pop-Science-Buch den munteren Beweis an und zerlegt Alltagsphänomene in ihre chemischen Elemente. Witzig und originell erklärt sie, welche chemischen Reaktionen in und um uns herum insgeheim ablaufen, und macht vor allem eins: Lust auf Chemie. Der Tagesablauf dient der preisgekrönten Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim als roter Faden, der durch die ganze Welt von organischer, anorganischer und physikalischer Chemie führt: Der Tag beginnt mit der Chemie des Aufwachens, mit Melatonin- und Cortisol-Spiegel. Wir erfahren, wann der richtige Zeitpunkt für den ersten Kaffee ist, warum Fluoride in der Zahnpasta enthalten sein sollten und warum das Chaos, das uns im Arbeitszimmer auf dem Schreibtisch erwartet, vom Universum gewollt ist.  Wir lernen Neues über die Zusammensetzung von Gorillaglas und die Funktionsweise von Handyakkus, wie sie länger halten und warum sie manchmal explodieren. Wir verstehen plötzlich, warum nur Aluminiumsalze gegen Schweißflecken helfen, wieso Schweiß überhaupt stinkt und was man dagegen wirklich tun kann.  Beim Einkauf im Supermarkt klärt Mai Thi Nguyen-Kim, ob sich mit Sauerstoff angereichertes »Sport-Mineralwasser« wirklich lohnt. Am Abend verrät sie das Geheimnis eines perfekten Schokotörtchens - und natürlich geht es zu fortgeschrittener Stunde auch darum, was auf molekularer Ebene eigentlich los ist, wenn die Chemie zwischen zwei Menschen stimmt.

Dr. Mai Thi Nguyen-Kim ist Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin. Sie moderiert im ZDF »Terra X« und präsentiert auf ZDFneo ihre Show »MAITHINK X«. Für ihre Arbeit wurde sie vielfach mit renommierten Preisen ausgezeichnet, so erhielt sie unter anderem das Bundesverdienstkreuz und die Leibniz-Medaille. Ihre bei Droemer erschienenen Bücher »Komisch, alles chemisch« (2019) und »Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit« (2021) wurden zu Bestsellern.

Kapitel 2


Tod durch Zahnpasta

Wo bist du gerade?«, frage ich, als Christine endlich an ihr Handy geht.

»Auf dem Weg ins Labor.« Sie klingt verärgert.

»Also, was ist jetzt mit Jonas?«

»Bei dem war ich gerade.«, schnaubt sie.

»Du hast also doch bei ihm übernachtet? Wie …«

»Mai«, unterbricht sie mich. »Er benutztNATURZAHNPASTA

»Wie?«

»Ohne Fluoride.«

Ach du Scheiße, denke ich. Jonas ist ein ganz süßer Physiker, mit dem Christine seit ein paar Wochen was am Laufen hat. Wir kennen ihn eigentlich schon länger über unseren Kumpel Hannes, der ist ebenfalls Physiker. Obwohl Jonas extrem gut aussehend ist, hatte sich Christine nie besonders für ihn interessiert. Ich würde sie als sapiosexuell bezeichnen, sprich, sie fühlt sich emotional und körperlich nur zu intelligenten Menschen hingezogen. Als uns Hannes irgendwann erzählte, dass Jonas »das totale Brain« sei und immer Semesterbester war, war Christine dann plötzlich ganz scharf auf ihn. Umso erschreckender, dass er Zahnpasta ohne Fluoride benutzt.

»Bist du sicher?«, frage ich. »Vielleicht lag es an der Tube, die machen ja alle heute so ein biomäßiges Marketing. Schließlich gibt es auch Kräuterzahnpasta mit Fluoriden.«

»Nein, es stand ganz groß ›OHNE FLUORIDE‹ drauf. Und die Liste mit den Inhaltsstoffen habe ich mir auch durchgelesen.«

»Aha. Und was ist dann drin, wenn keine Fluoride drin sind? Was ist der Ersatzstoff? Hast du es mal …«

»Darum geht es jetzt nicht«, unterbricht mich Christine.

Oh, oh. Wenn sie noch nicht einmal Lust hat, über Inhaltsstoffe zu sinnieren, ist es wirklich ernst.

»Ich bin so abgeturnt. Ich denke, Jonas ist für mich gestorben.«

Diagnose »Tod durch Zahnpasta«, denke ich. Ironischerweise genau das, was Jonas vielleicht wirklich fürchtet.

»Aber hast du ihn mal gefragt? Vielleicht hat er beim Kaufen nur nicht darauf geachtet.«

»Er sagt, Fluoride verkalken die Zirbeldrüse. Und dann wusste er noch nicht einmal genau, wo die Zirbeldrüse ist!«

Tja, Physiker sind halt doch keine Chemiker, denke ich.

»Hydroxylapatit«, sagt Christine unvermittelt.

»Was?«

»Der Ersatzstoff für Fluorid in dieser Kräuterzahnpasta«, schnaubt sie. »Lächerlich.«

»Du meinst Hydroxylapatit wie im Zahnschmelz?«

»Ja! Warum ist so etwas überhaupt erlaubt?«

»Interessant«, sage ich.

»Mach mal bitte ein Video darüber«, sagt Christine. »Ich bin jetzt im Labor. Wir reden später.«

Ein Video über Fluoride und Zahnpasta wäre wirklich eine gute Idee, denke ich. Für viele ist es kurios, dass ich Chemie studiert und eine Doktorarbeit drangehängt habe, nur um jetzt »irgendwas mit Medien« zu machen. Aber ich mache das mit Überzeugung. Als Wissenschaftlerin muss man nicht unbedingt nur im Labor forschen, um der Menschheit zu dienen. Es ist genau so wichtig, über Wissenschaft zu reden. Denn es ist für Laien echt verdammt schwer, an verständliche und gleichzeitig korrekte wissenschaftliche Infos zu kommen. Im Netz kursieren viele Halb- bis Unwahrheiten, die erschreckend überzeugend verkauft werden. Verlässliche Informationen findet man zwar in Fachbüchern und aktuelle Forschungsergebnisse in wissenschaftlichen Journalen, doch vor allem Letztere lesen sich wie ein Albtraum, selbst für Experten. Wissenschaft ist wie ein elitärer Club mit geheimer Codesprache. Zwar ist es nur sinnvoll, wenn sich Experten untereinander ihrer Fachsprache bedienen. Aber eigentlich ist es auch absurd, dass ein Laie sie nicht verstehen kann, denn ein Großteil der Forschung wird von öffentlichen Geldern finanziert. Die Steuerzahler können also gar nicht nachvollziehen, was mit ihrem Geld genau gemacht wird. Deswegen finde ich, es könnte ruhig mehr Wissenschaftler auf YouTube und im Fernsehen geben, um zu »übersetzen«.

 

Während ich erst mal in Ruhe weiter frühstücke, fangen wir doch mit dem Unterschied zwischen Fluorid und Fluor an. Das Thema passt nämlich perfekt zu meiner Teflonpfanne, in die ich jetzt mein Frühstücksei schlage – behaltet das im Hinterkopf, während ich ein bisschen aushole:

Fluoride sind eine Form des ElementsFluor. Schaut mal in das Periodensystem der Elemente (zum Beispiel hinten im Buch). Da findet ihr Fluor (F) in der siebten Hauptgruppe, man nennt die Elemente dieser Gruppe auchHalogene. Fluor ist ein Gas, das vom Geruch an das bekannte Schwimmbad-HalogenChlor erin