: Gruppe INEX
: Nie wieder Kommunismus? Zur linken Kritik an Stalinismus und Realsozialismus
: Unrast Verlag
: 9783954050451
: 1
: CHF 10.80
:
: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 276
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der vorherrschende Umgang mit Stalinismus und Realsozialismus zielt auf die grundsätzliche Delegitimierung der kommunistischen Idee. Doch der Verweis auf diesen instrumentellen Charakter darf die kritische Auseinandersetzung der Linken mit ihrer Geschichte nicht verstellen. Gerade an ihr ist es, den Widerspruch zwischen Realsozialismus und einer emanzipatorischen Gesellschaft aufzuzeigen und sich zu fragen, wie aus der Idee des Kommunismus die Praxis von Unterdrückung und Terror wurde. Für eine Linke, die sich die Befreiung des Menschen auf die Fahnen geschrieben hat, ist diese Auseinandersetzung unabdingbar. Vor diesem Hintergrund repräsentieren die Beiträge im vorliegenden Sammelband verschiedene Perspektiven der Kritik. Gemein ist ihnen dabei die Hoffnung auf eine emanzipatorische Politik, die aus den Erkenntnissen über die linke Vergangenheit die richtigen Lehren zieht.

Gruppe INEX

Nie wieder Kommunismus? – Einleitung zum Buch


 

 

Die kritische Auseinandersetzung mit den historischen Versuchen, die Ideen von Sozialismus und Kommunismus zu realisieren, ist im Grunde so alt wie diese Versuche selbst. Sie ist ein Erkenntnisprozess linker Bewegungen, der durch viele Generationen hindurch und von verschiedenen Standpunkten aus vorangetrieben wurde. Aber es gab immer eine ganze Reihe von linken Positionen, die eine solche kritische Auseinandersetzung erschwerten. Zuvorderst wurden diese von bekennenden Stalinist_innen, aber auch von demokratischen Linken vertreten, die den Realsozialismus oft trotz des Wissens über seine »Unvollkommenheit« als die bessere Alternative zum Kapitalismus verteidigten. Andere Linke sahen von vornherein keine Notwendigkeit für eine kritische Auseinandersetzung. Zum einen war diese Abwehrhaltung ein Reflex auf die antikommunistische Propaganda während des Kalten Krieges und die systemaffirmative Arroganz nach dem Untergang des Ostblocks. Zum anderen machten es unterschiedliche Praxen zwischen undogmatischen Linken und den Staatsparteien sozialistischer Staaten und ihren Protagonist_innen im Westen einfach, gemeinsame theoretische Bezüge, geteilte Begrifflichkeiten und ideelle Ursprünge nicht anzuerkennen. Teil dieser Verdrängungsstrategie war der Verweis auf die historischen Verhältnisse, an denen der Versuch der Bolschewiki, den Sozialismus in Russland zu errichten, scheiterte. Stalinismus erschien demnach tendenziell von »außen« gemacht, was den Glauben erleichterte, für seine Folgen keine Verantwortung übernehmen zu müssen. Derlei Ursachenbeschreibungen laufen nicht nur Gefahr, die menschenfeindliche Realität des Stalinismus zu relativieren. Sie geben zudem keine befriedigende Antwort auf die Fragen, wie es zu Stalinismus und Realsozialismus kommen konnte und was daraus für Linke heute zu lernen ist.

Die schier ungebrochene Selbstgewissheit der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus bekam spätestens Ende der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts Brüche. Die andauernde Erfahrung der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus verstärkte auch die Suche nach kritischen Erklärungsmodellen und Möglichkeiten einer nicht-kapitalistischen Gesellschaftsorganisation. In diesem Zusammenhang bekommt die Abgrenzung gegenüber Stalinismus und Realsozialismus eine neue Relevanz. Sie ist die notwendige Bedingung, um den Kapitalismus auf fundamental emanzipatorische Weise zu überwinden und für dieses Projekt Zustimmung zu gewinnen. Insofern lässt sich derzeit ein gestiegenes Interesse an Auseinandersetzungen mit der »eigenen« Geschichte ausmachen. Auch die Motivation zur Herausgabe dieses Sammelbandes geht auf Diskussionen über die Grundbedingungen einer erfolgreichen linksradikalen Gesellschaftskritik zurück. Doch darf es dabei nicht darum gehen, durch symbolische Abgrenzung den Weg für eine neue revolutionäre Politik zu bereiten. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung muss das Interesse stehen, den Wandel der kommunistischen Befreiungsidee zur menschenfeindlichen Wirklichkeit verstehen zu können, um auf de