Prolog
Mein Handy surrte und surrte, Nachrichten von Freunden, alle mit dem gleichen Text: »Happy Stormy Daniels Day!« Es war zwei Uhr, nur noch zwei Stunden, bis ich bei einer kleinen Open-Air-Feier auf dem Santa Monica Boulevard den Stadtschlüssel für West Hollywood überreicht bekommen sollte. John Duran, der Bürgermeister des Bezirks, hatte den23. Mai zum Stormy-Daniels-Tag ausgerufen, und ich fand das mindestens so surreal wie alle anderen.
Ich schrieb allen zurück und trank eine Dose Red Bull leer. Keith und JD, meine schwulen Daddys, sorgen immer dafür, wenn ich bei ihnen in L.A. wohne, dass die Bude voll mit Energy-Drinks ist. Und mit Knabberzeug. Wer mit mir befreundet sein will, dem muss eins ganz klar sein: Knabberkram gehört dazu. Ein SUV mit meinen beiden Bodyguards hielt vor dem Haus. Brandon und Travis sind seit Anfang April, als die Morddrohungen gegen mich und meine Familie heftiger wurden, immer um mich herum, aber so nervös, wie sie jetzt mit einer Tasche auf die Tür zukamen, habe ich sie noch nie erlebt. Ich hatte sie in einen äußerst wichtigen Einsatz geschickt: »Fahrt zu Marciano und kauft mir was zum Anziehen für die Feier. Größe S, zurzeit«, hatte ich sie instruiert, »und nicht vergessen, ich hab Riesentitten.«
Brandon und Travis waren auf Nummer sicher gegangen und mit zwei Kleidern zurückgekommen, eins pfirsichfarben, das andere schwarz. Sie gaben sie mir zur Begutachtung. Ich kniff die Augen zusammen – Leute, die ich mag, ein bisschen zu triezen ist mein Lieblingszeitvertreib –, dann sagte ich leise: »Habt ihr klasse gemacht, Jungs! Seid ihr jetzt auch noch Stylisten?« Ich nahm das kleine Schwarze von Capella, ein Bandage-Kleid mit tiefem Ausschnitt, das perfekt saß und Donner und Blitz – meine Spitznamen für meine Brüste – in Schach hielt.
Ich glaube, ich hatte die Kleiderfrage vor lauter Aufregung über die Rede, die ich halten sollte, so lange vor mir hergeschoben. Ich bin es als Schauspielerin und Regisseurin in der Erotikfilmbranche und als Stripperin gewohnt, dass mich Leute, die ich treffe, mit der Frage löchern, wieso ich dies und jenes tue. Wie komme ich eigentlich dazu, Pornos zu drehen oder mich in Clubs auf der Bühne auszuziehen? Oder mich mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten anzulegen? Das Erstaunlichste für mich an diesem ganzen vergangenen Jahr dagegen ist die Entdeckung, dass ich vor Leuten reden kann. Auf der Scotlandville Magnet Highschool in meiner Heimatstadt Baton Rouge hatte ich zwar lauter Einsen, aber ich nahm lieber eine Sechs in Kauf, als mich vor die Klasse zu stellen und etwas vorzutragen. Ich war starr vor Angst, meine Stimme bebte, ich kam einfach nicht vom Stuhl hoch. Das erste Mal passierte das in der neunten Klasse – bei einem Referat über Louisa May Alcotts RomanLittle Women. Natürlich hatte ich ihn gelesen – ich las damals alles, was ich kriegen konnte. Und die Figur der Jo March wäre das ideale Thema für mich gewesen, weil sie Schriftstellerin werden wollte, genau wie ich. Vor allem mit ihrer Frustration über das wenige, was die Welt jungen Frauen zuzugestehen bereit war, konnte ich mich identifizieren. Außerdem fand ich nicht, dass sie den alten Professor Bhaer heiraten sollte. (Entschuldigung, wenn das jetzt ein Spoiler ist, aber wenn Ihre nächste Lektüre auf dieses Buch oderLittle Women zusammenschnurrt, sollten Sie sowieso mal Ihre Lebensentscheidungen überdenken.)
Aber ich bekam keinen Ton heraus. Ich kassierte eine Fünf minus, und zwar jedes Mal, wenn ich die Aufgabe hatte, vor anderen Menschen zu reden. Ich mochte es nicht, angestarrt zu werden. Beurteilt. Aber genau das passiert jetzt ständig, nachdem ich im März dem CBS-Politmagazin60 Minutes ein Gratisinterview gegeben habe, das Millionen wert war. Ich wollte unbedingt als Erstes in einem seriösen, unparteiischen Sender gewisse Dinge richtigstellen, über Donald Trumps persönlichen Anwalt, über seine wiederholten Bitten, die Wahrheit über eine sexuelle Begegnung, die ich2007 mit dem zurzeit amtierenden Präsidenten hatte, zu verschleiern. In60 Minutes habe ich berichtet, was in dem Hotelzimmer