KAPITEL 1
Zwischen Glück und Trauer: meine Kindheit in der Platte
Was der Tommy nicht lernt, lernt der Thomas nimmermehr. Deine gesamte Kindheit legt ja bekanntlich den Grundstein für das ganze wunderbare Leben, das vor dir liegt. Für mich trifft das voll zu. Ich bin herzlich, bodenständig und heimatverbunden (klingt wie eine Kontaktanzeige, haha! Und ich würde darauf antworten). Das liegt an den Werten, die mir meine Eltern mitgegeben haben. Sei du selbst, verstell dich nicht, und sei gut zu den Menschen, die dir nahestehen. Geboren und aufgewachsen bin ich in Potsdam. Als Einzelkind. Meine Eltern hatten nie richtig Geld. Aber das sollte uns drei nie stören. Wir haben immer zusammengehalten. Meine Mutter hat die besten Witze gemacht, und mein Vater war eher der Ruhige, der das Leben im Stillen genoss. Bevor er meine Mutter heiratete, rasierte er sich regelmäßig. Danach nicht mehr. Er hatte ja alles, was er brauchte. Einen gesunden Jungen und eine zehn Jahre jüngere Frau an seiner Seite. Eigentlich hätte alles perfekt sein können. Aber leider war es nicht so. Mein Vater war Pförtner, weil er schwerbehindert war. Er hatte schon seit seiner Kindheit eine Erkrankung namens Morbus Recklinghausen. Das ist eine seltene Genkrankheit, die meist schon früh diagnostiziert wird. Solange ich mich erinnern kann, war er krank und hatte epileptische Anfälle. Ich bin sozusagen damit aufgewachsen. Später kam dazu, dass sein Gehirnwasser nicht richtig ablief, weshalb Bypässe gelegt werden mussten. Er hatte viele Kopf- und Bauchoperationen. Mit dieser Krankheit haben wir als Familie gelebt – was nicht immer leicht war.
Zum Glück sind meine Erinnerungen an meinen Vater aber nicht nur mit seiner Krankheit verknüpft. Er hat mich über alles geliebt und behandelte mich wie seinen kleinen Prinzen. Voller Stolz, so erzählt meine Mama noch heute gern, ging er mit mir zum Burgenbauen auf den Spielplatz. Auch schob er den Kinderwagen – ohne Wenn und Aber (in der damaligen Zeit war das nicht selbstverständlich für Väter). Zu meinem ersten Geburtstag schenkte er mir einen Teddy, den ich noch heute habe und der mich mein ganzes Leben lang begleitet hat. Als seine Krankheit schlimmer wurde und er all diese Operationen überstehen musste, war es schwierig für mich, das zu begreifen. Mit etwa neun Jahren sah ich ihn nach einer OP mit kahl geschorenem Kopf ruhig und erschöpft in seinem Krankenhausbett liegen. Er erkannte mich nicht und dachte, dass ich eigentlich noch viel jünger sein sollte. Als ihn meine Mutter fragte, wo wir wohnen, gab er eine Adresse an, an der wir vor ewigen Jahren mal gewohnt hatten. Danach wollte ich meinen Vater nie wieder im Krankenhaus besuchen. Ihn hilflos an diesen Schläuchen und Maschinen zu sehen, machte mich sehr traurig. Ich konnte ja nichts tun, um ihm zu helfen. Für einen kleinen Jungen war das schwer zu akzeptieren. Aber zum Glück kam mein Vater nach wochenlangem Aufenthalt wieder nach Hause.
Und so kam es, dass mein geliebter Papa dement wurde. Es war schwer für mich, damit umzugehen, aber dennoch haben meine Mutter und ich das sehr gut mit ihm zusammen hinbekommen. Meine Mutter arbeitete zu der Zeit noch in Vollzeit als Köchin und schuftete sich den Allerwertesten wund. Eine starke Frau. Schichtarbeit, ein kranker Mann zu Hause und ein Sohn, der einem mit seinen zehn Jahren alle Nerv