: Jan Beinßen
: Die Meisterdiebe von Nürnberg Paul Flemmings vierter Fall - Frankenkrimi
: ars vivendi
: 9783869133485
: Paul Flemming
: 1
: CHF 8.90
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 261
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Paul Flemmings vierter Fall: Während Nürnberg der sensationellen Ausstellung der historischen Reichskleinodien entgegenfiebert, freut sich ein internationales Publikum auf das Norisringrennen. Paul Flemming hat ganz andere Sorgen. Niemand will ihm glauben, dass er nichts mit Beate Meinefelds Tod zu tun hatte. Und sogar er selbst hegt Zweifel, kann er sich doch - nach einem ausschweifenden Abend - kaum noch an die fragliche Nacht erinnern. Birgt der Tatort - die Lochgefängnisse unter dem Alten Rathaus - den entscheidenden Hinweis? Pauls Nachforschungen führen ihn weit in die Geschichte Nürnbergs zurück, während sich im Hier und Jetzt die Ereignisse überschlagen.

Jan Beinßen, Jahrgang 1965, lebt in Nürnberg. Er hat zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht. Bei ars vivendi erschienen bisher Dürers Mätresse (2005), Sieben Zentimeter (2006), Hausers Bruder (2007), Die Meisterdiebe von Nürnberg (2008), Herz aus Stahl (2009), Das Phantom im Opernhaus (2010), Lebkuchen mit Bittermandel (2011) und Die Paten vom Knoblauchsland (2012).

 

2

Bea Meinefeld tot? Paul hatte noch immer starke Kopfschmerzen. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Doch der Nachricht vom Tod des Fotomodells musste er mit klarem Verstand begegnen.

Er saß in einem kahlen Verhörzimmer in der Rathauswache, der Kripomann von vorhin ihm gegenüber. Zwischen ihnen stand nur ein schlichter Tisch, der Kollege des Beamten wartete im Hintergrund.

Es war ganz wie im Fernsehen, nur dass es sich bei dem armen Teufel, den die Polizisten gleich in die Mangel nehmen würden, nicht um einen gut bezahlten Schauspieler handelte, sondern um Paul, und er sich nicht einfach entspannt als Zuschauer zurücklehnen konnte.

»Beginnen wir mit der nächstliegenden Frage«, setzte der Kriminalbeamte an, der ihm gegenüber saß. Paul schien es, als würde ein Lächeln die schmalen Lippen des Ermittlers umspielen.»Warum haben Sie dieses Mädchen getötet?«

»Ich habe was?« Paul sprang von seinem Stuhl auf und schnappte nach Luft.»Wie kommen Sie denn darauf?«

Der Beamte blieb ruhig sitzen und wiegte den Kopf.»Nun – Sie haben bereits zugegeben, dass Sie sich gestern im Lochgefängnis aufgehalten haben. Sie sind mit der Getöteten bekannt. Und sie trug Ihren Mantel, in dem immer noch der Schlüssel zum Lochgefängnis steckte. Da drängt sich uns der Verdacht auf, dass Sie für den Tod dieser Frau verantwortlich sind.«

Paul versuchte das nach wie vor starke Hämmern in seinen Schläfen zu ignorieren und setzte sich wieder hin. Er senkte den Blick, rieb sich die Augen. Er musste aufpassen. Denn das hier war kein Spaß.

Was genau war gestern Abend vorgefallen?, fragte er sich besorgt und klopfte sich mit den Fingerkuppen gegen die Stirn. Okay, zwang er sich zur Raison, wie war der Tag verlaufen? Sie hatten sich nachmittags vorm Rathaus getroffen: er selbst, Bea Meinefeld, ein anderes Model und die Visagistin. Paul hatte den Schlüssel fürs Lochgefängnis vom Presseamt der Stadt bekommen. Sie sollten freie Hand für ihre Fotoaufnahmen haben, denn wegen der Vorbereitungen für eine große Ausstellung im Rathaussaal, einen Stock höher, waren die alten Folterkeller für den Publikumsverkehr gesperrt worden ...

Alles harmlose Dinge– Pauls Berufsalltag. Wie konnte das mit einem Mord in Verbindung gebracht werden?

»Warten Sie«, sammelte Paul seine geschwächten Kräfte zum Selbstschutz.»Sieüberfallen mich zu Hause, nehmen mich mit aufs Revier und konfrontieren mich mit einem ungeheuerlichen Vorwurf. Sie haben mir ja noch nicht einmal die Todesursache von Frau Meinefeld genannt. Wie ist sie denn gestorben?«

»Erstaunlich, dass Sie erst jetzt danach fragen«, stellte sein Gegenüber mit zusammengekniffenen Augen fest.

Der andere Polizist hingegen fragte:»Wissen Sie das denn nicht selbst am besten?«

Paul ballte die Fäuste. Er war bereit zu rebellieren. Warum nur gingen diese beiden Männer so aggressiv gegen ihn vor und traten seine Würde mit Füßen?

Er zwang sich zur Ruhe.»Wie ist sie gestorben?« fragte er nochmals.

Die Beamten verständigten sich mit einem Blick.»Genickbruch«, sagte der eine knapp.

»Sie haben sie richtig hart angefasst«, sagte der andere.

Schon wieder so ein Vorwurf. Paul hätte am liebsten laut aufgeschrien. Doch dann fühlte er sich an etwas erinnert. Für eine Fotoreportage hatte er einmal den Kriminaldauerdienst begleitet und dabei gelernt, dass die Chancen, einen Mörder zuüberführen, in den ersten Stunden nach der Tat am größten waren. Dann nämlich waren die Täter selbst noch angespannt und ihre Nerven lagen blank. In dieser psychologischen Extremsituation konnten ein paar energisch vorgebrachte Beschuldigungen reichen, um dem Schuldigen ein Geständnis zu entlocken.

Auf dieselbe Weise versuchten nun offenbar die beiden Polizisten, Paul zum Reden zu bringen. Plötzlich sah er ein, dass die Kriminalbeamten nichts weiter machten als ihren Job – und wahrscheinlich machten sie ihn sogar gut. Aber – verflucht!– er hatte ihnen nichts zu sagen! Wann würden sie das akzeptieren?

»Also?«, forderte ihn der Kripomann ihm gegenüber auf.»In welchem Verhältnis standen Sie zu dem Opfer?«

»Wir haben Fotos gemacht«, brachte Paul stockend hervor.

Der Beamte sah ihn wenig mitfühlend an.»Soso, Fotos. Natürlich. Sie machen Fotos. Denn Sie sind ja Fotograf.« Er führte seinen Zeigefinger an die dünnen Lippen.»Was waren denn das für Fotos?«

Paul kamen bei dieser Frage die Bilder von gestern in den Kopf. Die Korsagen aus schwarzem Leder, die Lackbustiers ... – Bea hatte eine gute Figur in diesen ausgefallenen Dessous gemacht.

»Modefotografie«, sagte Paul möglichst betonungslos.

»Ach?«, tat der Polizistüberrascht.»Mode im Folterkeller. – Ist das nicht ein wenig geschmacklos?«

»Es war die Auftragsarbeit einer Nürnberger Boutique«, antwortete Paul.»Kleidung, Ort und Modelagentur wurden vom Auftraggeber bestimmt.« Er erinnerte sich sehr wohl daran, dass er anfangs Skrupel gehabt hatte, den Auftrag anzunehmen. Denn die Sado-Maso-Schiene lag ihm nicht besonders. Aber dann hatte er erkannt, dass die zu fotografierenden Teile zwar sexy, aber keineswegs anrüchig waren. Er