: Tommie Goerz
: Auszeit Friedo Behütuns' vierter Fall - Frankenkrimi
: ars vivendi
: 9783869133966
: Friedo Behütuns
: 1
: CHF 8.90
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 312
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Weil Kriminalkommissar Friedo Behütuns wieder einmal den Mund nicht halten konnte und ein Journalist seine Tiraden über Politik und Gesellschaft auch noch veröffentlicht hat, wird er von seinem Chef zu einer Zwangsauszeit verdonnert. Sechs Wochen ...! Aus einer Bierlaune heraus fährt er nach Frankreich und mietet sich in der Bretagne ein Haus am Meer. Mit der Idylle dort aber ist es schnell vorbei. Im Nachbarort Kercambre werden die Leichen zweier Nürnberger Urlauber gefunden. Für die französische Polizei ist rasch klar: Es ist die Tat bretonischer Separatisten. Behütuns jedoch lässt vom Feriendomizil aus seine Kollegen daheim im Umfeld der Opfer herumschnüffeln, und plötzlich tut sich ein völlig neuer Verdacht auf - mit Spuren, die bis zur Besatzung Frankreichs und in die jüdisch-deutsche Vergangenheit zurückreichen ...

Tommie Goerz, Jahrgang 1954, hat Soziologie, Philosophie und Politische Wissenschaften studiert und war 20 Jahre Texter und Konzeptor bei einem der größten Agenturnetzwerke der Welt. Er gewann unter anderem einen Bronzenen Löwen in Cannes (2007). Heute hat er einen Lehrauftrag an einer Hochschule, ist Inhaber einer kleinen Agentur und in einer Unternehmensberatung tätig. Bei ars vivendi erschienen bislang die vier Kriminalromane Schafkopf (2010), Dunkles (2011), Leergut (2011) und Einkehr (2014).

 

Wir fühlten uns unbehaglich,

weil das Gespräch eine Wendung zu nehmen schien,

die uns nicht paßte.

Oss Kröher, Das Morgenland ist eine Welt.

Die erste Motorradreise vom Rhein zum Ganges

1. Kapitel

»Du sollst zum Rust.«

Kriminalkommissar Friedemann Behütuns, genannt Friedo, hatte die Klinke noch in der Hand und stand in der Tür. War noch nicht einmal richtig in den Raum gekommen, da schlug ihm dieser Satz schon entgegen. Von Dick, Peter Dick, einem seiner Mitarbeiter und Kollegen. Der hatte das gesagt, ohne dabei aufzuschauen. Eigenartig.

Kommissar Behütuns stockte. War was? Hatte er irgendetwas verpasst? Vergessen? Versaut? In Kaskaden arbeitete sich sein Gehirn nach hinten. Heute früh? Heute Nacht? Gestern? Vorgestern? Es fiel ihm nichts ein. Einen Termin vielleicht? Eine Sitzung? Einen Bericht? Irgendetwas zu einem Fall? Kein Anhaltspunkt. Trotzdem: Die Stimmung im Raum war komisch, das hatte er sofort bemerkt. Für so was hat man Antennen. Aber er konnte es noch nicht greifen, es war nur so ein Gefühl. Er atmete durch.

Zum Rust. Das konnte alles heißen. Gutes, Schlechtes, Belangloses, Blödes. Rust war der Chef des Präsidiums, der alleroberste. Aber meistens hieß das nichts Gutes, wenn man zu dem musste– und so, wie Dick das gesagt hatte…

Behütuns sah Dick fragend an.

Der zuckte nur mit den Schultern, schwieg und blickte wieder auf seinen Bildschirm.

Behütuns sah zu P. A., Peter Abend, dem nächsten Kollegen im Team.

Das gleiche schweigende Schulterzucken mit der entsprechenden Mundbewegung. Ratlosigkeit.

Der Kommissar warf seine Tasche auf den Stuhl und zog seine Jacke aus. Blieb im Raum stehen.

»Klaus?«, rief er hinüber ins Vorzimmer, wo der Assistent, der von allen freundschaftlich meistens»Frau Klaus« genannt wurde, mit Papieren raschelte.

»Hast du eine Ahnung…?«

Wenn einer eine Ahnung hatte, dann der.

»Nein«, kam es leise herüber. Klang das womöglich be­­drückt? Vielsagend? Oder lag das an der angelehnten Tür…?

Irgendwie war sich Behütuns schon sicher.

Jaczek war noch nicht da, der Letzte im Team. Den konnte er noch nicht fragen. Peter Jaczek kam meistens zu spät. Acht Uhr hieß für ihn halb neun. Oder noch später. Sie hatten es einmal mit halb acht probiert, damit er um acht da wäre, aber es hatte nichts geholfen. Jaczek war wie immer erst nach halb neun gekommen, da war einfach nichts zu machen. Keine Ahnung, warum der so war.Übergenau und korrekt in allem, was er tat, aber immer zu spät.

»Du sollst gleich kommen«, fügte Dick an,»sofort.«

Gut, dachte Behütuns, da braut sich was zusammen. Kein Zweifel mehr.

»Na denn«, sagte er ergeben und ging zur Tür.

»Good luck«, schallte es ihm hinterher, aber freundschaftlich, ernst gemeint. Auf seine Leute konnte er sich verlassen.

*

Rust war total angefressen, das sagte ein einziger Blick. Keine Fehldeutung möglich. Er schaute Behütuns nur an. Saß hinter seinem Schreibtisch und funkelte. So hatte er ihn noch nicht erlebt. Dann warf er ihm eine Zeitung hin, wortlos, dieNZ,Nürnberger Zeitung, Donnerstag, erste Augusthälfte 2011, schwieg weiter, verschränkte die Arme.

»Ausrutscher bei der Polizei« stand dort getitelt und»FragwürdigeÄußerungen in derÖffentlichkeit. Irritierende Aussagen eines Polizisten«.

Behütunsüberflog den Artikel. Namen wurden keine genannt, aber damit war er gemeint, keine Frage. Der Artikel wurde dabei auch ganz deutlich.»Gott, behüt’ uns vor›Ordnungshütern‹, die, wenn sie so denken, vielleicht auch so handeln«, schloss der Artikel, derüber eine halbe Seite ging.»Dann ist es mit Recht und Gesetz nicht weit her, dann können wir uns auf etwas gefasst machen.« Behütuns schaute, wer das geschrieben hatte.»Reichfrid Nerst« stand unter den Zeilen. Der Name sagte ihm nichts.

»Tja«, sagte Behütuns nur und legte die Zeitung zurück. Was jetzt wohl kommen mochte? Im Kopf ging er die letzten Tage durch. Ja, das, was dort stand, war richtig, er hatte das alles gesagt. So und keinen Deut anders, eher noch heftiger. Am letzten Wochenende. Am Reifenbergkeller hatte er gesessen, mit Freunden, und ziemlich gelötet, er musste ja nicht fahren. Und auf so einem Keller wiedem– da muss man ja gegen das Heulen antrinken, so schön ist es da. Wie viel hatte er wohl gehabt? Vier oder fünf Seidla? Wahrscheinlich eher fünf. Da sitzt man auf Bänken unter Bäumen am Hang, die nackte Erde unter sich, der Grill glüht und qualmt an der Felswand entlang, das Licht bricht sich im Laub und in den Bratwurstgrillschwaden, das Wiesenttal liegt einem zu Füßen, drüben das Walberla, grüne Wiesen, mäandernder Fluss, und das Bier kommt direkt aus dem Felsenkeller. So kühl, dass man gar nicht mehr aufhören kann. Mit Freunden hatte er da gesessen– aber ein Reichfrid Nerst? War nicht dabei, d