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„Hätten Sie ein paar Minuten Zeit für mich?“
Er blickte auf und betrachtete sie. Die Frau wirkte attraktiv, trotz der tiefen dunklen Augenringe und der Müdigkeit, vielleicht auch Trauer oder Bitterkeit, die sie mit ihrem gesamten Körper auszustrahlen schien.
„Sprechen Sie.“
„Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie hierauf einen Blick werfen könnten.“
Sie hatte drei Fotos auf die Tischplatte gelegt und wies mit ihrem Zeigefinger auf das jeweilige Bild. „Das erste wurde aufgenommen, bevor alles anfing“, sagte sie, „das zweite in dem Moment, als der Brand ausbrach und das letzte, als die Katastrophe schon passiert war.“
„Geht es um die Bohrinsel im Golf von …?“
„Ist das nicht eindeutig?“
Das war es tatsächlich – ähnliche Bilder, wenn auch nicht so nah und genau, waren fast drei Wochen lang in verschiedenen Medien erschienen.
„Und wer hat diese Aufnahmen gemacht?“
„Derselbe, der die Explosion ausgelöst hat. Er hat sie mir aufs Mobiltelefon geschickt, aber etwas muss aus dem Ruder gelaufen sein, denn alles endete in einer wahren Katastrophe und ich habe seitdem nichts mehr von ihm gehört.“
Der Mann, den die Fremde so rücksichtslos gestört hatte, bedeutete ihr mit einer kaum wahrnehmbaren Geste sich zu setzen. Er studierte die Fotos und hob den Blick um herauszufinden, ob die Besitzerin der riesigen schwarzen Augen und der tiefen Augenringe log. Schließlich stieß er einen Seufzer aus, mit dem er wohl die Größe seiner Verwirrung ausdrücken wollte.
„Was für ein Unsinn!“, murmelte er. „Das kann nicht wahr sein.“
„Ist es aber“, betonte die Frau.
„Bis jetzt hat, soweit ich weiß, niemand die Möglichkeit erwähnt, dass es ein terroristisches Attentat gewesen sein könnte.“
„Das war es auch nicht …“, antwortete sie absolut sicher. Obwohl sie kaum die Vierzig überschritten haben konnte, hatte sie sich mit einer Geste unendlicher Erschöpfung auf den Stuhl fallen lassen wie eine alte Frau.
„Ein fingiertes Unglück ja, aber kein Attentat – und diese Fotos beweisen das.“
„Und warum übergeben Sie das nicht der Polizei?“, wollte der Mann wissen, der gerade dabei war, sich allein seinen dritten Kaffee und eine zweite Havanna auf der Terrasse seiner Lieblingstaverne zu genehmigen, während er betrachtete, wie die Palmen sich vor dem Hintergrund des Meeres gegen die untergehende Sonne abhoben.
„Welcher Polizei und von welchem Land?“, wollte sie wissen.
„Was weiß ich? Ich nehme an der nordamerikanischen, weil die Plattform vor deren Küste abgebrannt ist.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er etwas unsicher fragte: „Oder war es eine englische Plattform?“
„Die Gesellschaft ist englisch, aber schauen Sie mich genau an …“, war die klare Antwort seines ungebetenen Gastes. „Die Polizei würde keine zehn Minuten brauchen, um zu dem Schluss zu gelangen, dass ich eine Muslimin bin.“
Ihre Stimme klang fast aggressiv, als sie fortfuhr: „Glauben Sie, dass irgend jemand akzeptieren würde, dass der Mann, der ein so brutales Attentat begangen hat, ein Blonder mit blauen Augen sein könnte, dessen einzige Verbindung zu Al Qaida oder dem islamischen Extremismus in der Tatsache besteht, dass