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»Darf ich dich zu Rinderfiletspitzen vom Grill auf Weinschaum mit frittierter Roter Bete und Bauchstecherla einladen?«, fragte Jan-Patrick. Seine Augen funkelten erwartungsvoll.
»Wenn du mir verrätst, was Bauchstecherla sind, vielleicht«, gab sich Paul wählerisch.
»Na, du bist mir ja ein Franke!«, tadelte ihn sein Lieblingskoch.»Das ist eine alte fränkische Beilage: Kartoffeln kochen und grob reiben. Dazu Gries, Milch, Mehl. Ordentlich würzen mit Salz, Pfeffer und Muskat. Kneten, rollen, in Scheiben schneiden und in Butterschmalz ausbacken. Alles klar?«
Paul nickte zögerlich und lehnte sich auf seinem Stammplatz im Goldenen Ritter zurück.»Hast du vielleicht auch etwas Leichteres? Nur eine Kleinigkeit?«
Der kleingewachsene Küchenchef strich sich mit der Hand durch sein dichtes schwarzes Haar.»Eigentlich ist ja jetzt Pilzsaison. Da bietet sich der Klassiker Pfiffer in Rahmsoße an, oder wie wäre es mit gegrillter Polenta an Balsamico-Egerlingen…«
»Nein, nein. Wirklich bloß einen Snack, bitte«, wehrte Paul ab.
»In Ordnung. Was hältst du dann von einem winzigen Stückchen Kürbis-Käse-Kuchen und einem Viertel Franken-Hausschoppen dazu?« Paul willigte ein, und der Wirt wollte bereits gehen, als ihm noch etwas einfiel:»Ach, sag mal, Paul, was ist eigentlich aus dieser Sache mit dem alten Filmgeworden?«
»Alter Film?«
»Ja, du weißt schon, von dem du mir neulich erzählt hast.«
»Ach, der Film aus der Minox«, begriff Paul.»Neulich ist gut! Da war ja noch Sommer! Inzwischen haben wir Oktober und Herbst.«
»Ja, und? Was ist nun daraus geworden?«, hakte Jan-Patrick nach.
»Also, das ist eine ziemlich langwierige Angelegenheit«, setzte Paul an.»Der Film war ja schon sehr alt. Stammte wahrscheinlich noch aus den späten siebziger Jahren und…« Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment erschien Marlen, die Kellnerin, an seinem Tisch und erkundigte sich freundlich:
»Hat der Herr schon gewählt?«
»Das hat er«, antwortete Jan-Patrick an Pauls Stelle.»Ichübernehme das selbst.«
Marlen tänzelte weiter, nicht ohne Paul vorher einen schelmischen Blick zugeworfen zu haben. Dieser schaute ihr mit offenem Mund nach.»Sag mal, Jan-Patrick, es sieht ja ganz so aus, als wäre deine Marlen…«
»… in anderen Umständen«, ergänzte der Koch und nickte grinsend.»Ja, das ist sie in der Tat. Die nächste Generation wird den Goldenen Ritter endlich zu dem machen, was er längst sein sollte: ein Sterne-Lokal!«
»Aber das heißt ja, sie ist schwanger!«, stieß Paul geradezu panisch aus.
»Na, sicher ist sie das«, bestätigte der Küchenchef voller Stolz.»So ist das, wenn man ein Kind erwartet.«
»Du hast mir bisher gar nichts davon erzählt«, sagte Paul, noch immerüberwältigt von dieser Neuigkeit.
»Nun, es hat sich wohl nicht ergeben.«
»Aber wir sehen uns fast jeden Tag. Und wie Marlen in diesem Kleid aussieht, ist sie mindestens im elften Monat.«
»In einer Schwangerschaft gibt es nur neun Monate, mein Lieber. Außerdem wollte ich dich nicht frustrieren.«
»Was soll denn das nun wieder heißen?«, empörte sich Paul.
»Na ja«, druckste Jan-Patrick herum.»Deine Katinka ist weit weg in Berlin, und vor Ort läuft es für dich in Liebesdingen auch nicht so toll, wie man hört. Also habe ich mir gedacht, dass ich unser trautes Glück lieber für mich behalte.«
»Verräter«, entfuhr es Paul.
Jan-Patrick hob den Zeigefinger.»Keine unüberlegten Beleidigungen. Für einen Mann jenseits der vierzig wird es höchste Zeit, sich um die Zukunft zu kümmern, ob er nun aussieht wie George Clooney oder nicht. Daran solltest du vielleicht auch einmal denken.«
»Ja, ja, ja. Blabla.«
»Anstatt herumzumotzen, sollten wir mit einem Glas Schampus auf die frohe Botschaft anstoßen.«
»Champagner? Lassen Sie gleich drei Kelche kommen!«, mischte sich eine dritte Stimme ein.
»Blohfeld!«, stieß Paulüberrascht aus.»Was machen Sie denn hier?«
»Wahrscheinlich das gleiche wie Sie– essen und trinken«, antwortete der hagere Neuankömmling flapsig und wandte sich an den Wirt:»Kann ich gleich bestellen? Ich hätte gern einen großen Burger mit Pommes.«
Jan-Patrick versuchte sich vor dem Polizeireporter aufzubauen, der ihn um Haupteslängeüberragte:»Sie wissen genau, dass es bei mir kein Fast Food gibt, Sie Ignorant.«
»Soll ich Ihnen mal was verraten?«, fragte Blohfeld blasiert und hob seine schmale Himmelfahrtsnase ein weiteres Stück nach oben.»Bei uns zuhause gab es früher oft Spiegelei auf Brot mit gebratener Wurst dazu, eine ganz einfache Mahlzeit. Das Gleiche servieren Sie hier für teures Geld, nur ein wenig anders präsentiert. Ein Ei in einem Plastiksäckchen mit Trüffelöl und Gänseleberfett pochiert, die Wurst zu Mousse püriert und das Brot fein zerbröselt und knusprig frittiert. Und das Ganze dann für dreißig Euro. Ist es nicht so?«
Jan-Patrick lief puterrot an, bevor er sich auf dem Absatz umdrehte und davoneilte.
»Das ging schneller, als ich dachte«, sagte Blohfeld zufrieden und setzte sich neben Paul.
»Ich verstehe nicht.«
»Ganz einfach. Ich wollte mit Ihnen unter vier Augen sprechen.« Paul wusste noch immer nicht, worauf derReporter hinaus wollte. Doch dann sprach Blohfeld endlich offen:»Es geht um den Film aus der Kamera vom Trempelmarkt.«
»Wie kommt ihr jetzt plötzlich alle auf diesen Film?«, wunderte sich Paul.»Die Sache liegt Wochen zurück. Wahrscheinlich bin ich einem makabren Scherz aufgesessen, jedenfalls habe ich nie wieder etwas von der Polizei gehört.«
Blohfeld zwinkerte ihm zu.»Aber ich.«
»Was haben Sie gehört?«, fuhr Paul auf.
»Dass die Sache recht vielversprechend ist. Da lässt sich einiges draus machen.«
»Was sollen die Anspielungen? Rü