: Lena Kuhlmann
: Psyche? Hat doch jeder! Vom Hin und Her zwischen Herz und Hirn
: Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
: 9783959101868
: 1
: CHF 12.60
:
: Angewandte Psychologie
: German
: 256
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Depressionen, Panikattacken, Essstörungen - psychische Erkrankungen sind uns längst allen ein Begriff . Doch wie entsteht eigentlich ein seelisches Ungleichgewicht? Was ist dann zu tun und was ist das überhaupt genau - diese Psyche? Psychotherapeutin und Bloggerin Lena Kuhlmann räumt auf charmante Art und Weise mit Vorurteilen über psychische Krankheiten auf und berichtet, wie es in psychiatrischen Einrichtungen heute wirklich aussieht. Neben praktischen Tipps, um die Psyche in Schuss zu halten, gibt sie durch persönliche Anekdoten außerdem einen spannenden Einblick in ihre tägliche Arbeit: Psychotherapeuten können zwar keine Gedanken lesen, aber ihr Job besteht aus weit mehr, als nur auf einem gemütlichen Sessel zu sitzen und »Mhm« zu murmeln. Folgt Lena Kuhlmann auf ihrer Reise durch die menschliche Psyche und schaut hinter die Kulissen ihres Therapeutinnenalltags!

Lena Kuhlmann, geboren 1985, ist approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit tiefenpsychologischem Schwerpunkt. Sie arbeitet aktuell in einer psychiatrischen Ambulanz und in einer sozialpsychiatrischen Praxis. Um gegen die Stigmatisierung psychisch Kranker anzuarbeiten, veröffentlicht sie seit 2016 Artikel rund um Psyche und Psychotherapie und schreibt als Bloggerin und engagierte Expertin auch für die breite Öffentlichkeit.

wie sich verhaltenstherapeuten die psyche vorstellen


Ich schätze, das Besteck lag zehn Jahre lang in der Schublade über dem Schrank mit den Töpfen, bis meine Mutter irgendwann beschloss, die Küche von Grund auf umzuräumen und vieles auszusortieren. Das war der Tag, an dem auch das Besteck umzog. Zwei Schubladen weiter. Man sollte meinen, dass sich diese Information mit Leichtigkeit in meinem Hirn hätte abspeichern lassen können, aber weit gefehlt! Unzählige Male habe ich intuitiv wieder und wieder die ursprüngliche Schublade geöffnet, um mich dann über mich selbst zu ärgern. Keine Gabeln. Dabei wusste ich es doch eigentlich besser. Aber so eine Neuprogrammierung dauert offenbar seine Zeit. In meinem Fall Wochen, sogar Monate. Da fängt man irgendwann an, an sich selbst zu zweifeln. Bis, ja bis es dann am Ende doch noch zu einem Umlernen kommt. Zum Glück ist Verhalten veränderbar und kann neu gelernt werden, will man den Verhaltenstherapeuten Glauben schenken.

Die Verhaltenstherapie (kurz: VT) ist viel greifbarer als die psychodynamischen Verfahren und wissenschaftlich gut belegt. Nun ist auch endlich etwas für die pragmatisch orientierten Leser dabei. Für diejenigen, die etwas Handfestes brauchen und mit Spekulationen nicht so viel anfangen können. Für im Hier-und-Jetzt-Bleiber, die keine Lust haben, über eine Zeit zu sprechen, die viele Jahre hinter ihnen liegt.

Angefangen hat alles zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit verschiedenen Experimenten an Tieren. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden auf den Menschen übertragen. Die Verhaltenstherapie hat daher keinen Gründungsvater im engeren Sinn, dafür aber viele Beteiligte, die ihr Wissen und ihre Arbeiten beisteuern konnten, darunter Pawlow, Skinner und Watson.27

Die Psyche entwickelt sich nach Annahme der Verhaltenstherapeuten aus der individuellen Lerngeschichte heraus. Im Kern geht es dabei um das Verhalten. Verhalten? Mich hat der Begriff zunächst irritiert, weil er umgangssprachlich eingeschränkter verwendet wird. In diesem Fall ist er erweitert worden und umfasst ebenso körperliche Reaktionen, Denkprozesse und Gefühle.28 Die Verhaltenstherapeuten teilen Verhalten in zwei Kategorien auf: Es gibt funktionales Verhalten, also zielführendes und sinnvolles, und es gibt dysfunktionales Verhalten, das eben genau das Gegenteil darstellt und auch psychische Erkrankungen umfasst.

Therapeutische Maßnahmen der Verhaltenstherapie setzen direkt an den Symptomen im Hier und Heute an. Es geht weniger um die Ursachen, sondern viel eher darum, die lästigen Beschwerden möglichst schnell wieder loszuwerden. Ziel ist es, die Fehlfunktion zu verringern, um gleichzeitig adäquate Verhaltensstrategien beziehungsweise Ressourcen weiter auszubauen. Anders als bei den psychodynamischen Verfahren gehen die Verhaltenstherapeuten dabei sehr strukturiert vor. Für einzelne Störungsbilder gibt es Manuale, in denen konkrete Interventionen zur Behandlung vorgegeben werden.29 Die Sitzungen werden meist viel ausführlicher vorbereitet als bei vielen psychodynamischen Kollegen (das ist zumindest mein Gefühl).

Im Folgenden möchte ich verschiedene Theorien der Verhaltenstherapie etwas näher erläutern. Sie alle liefern Erklärungen dafür, wie Menschen ein bestimmtes Verhalten erlernen. Man nennt sie daher auch Lerntheorien.

Die klassische Konditionierung


Bei der klassischen Konditionierung geht es um Reize. Genauer: um Reize, die eine Reaktion auslösen. Iwan Pawlow, Mediziner und Nobelpreisträger, wollte in seinen Experimenten nachweisen, dass man bestimmtes Verhalten mithilfe von Reizen gezielt auslösen kann. Dies versuchte er durch Experimente mit Hunden zu zeigen (bekannt unter dem NamenDer Pawlowsche Hund). Pawlow versuchte seinem Vierbeiner einen automatischen Speichelfluss anzutrainieren. Dazu benutzte