Unser Stadtviertel zeichnete sich durch die ganz eigene Zusammensetzung seiner Bewohner aus und war eines der wenigen ohne soziale Klassenstruktur. Ganz in der Nähe lagen auf der einen Seite die Universität von Teheran, auf der anderen das Parlament. Neben dem fehlenden Klassenbewusstsein sorgte die besondere geografische Lage unseres als zentral geltenden Viertels für diese untypischen Verhältnisse, zu denen wohl auch die Landflucht und das rasche Anwachsen der Stadt beitrugen, deren Einwohnerzahl sich in nur drei Jahrzehnten vervierfacht hatte. So lebte zum Beispiel am einen Ende des Viertels ein reicher Basari, am anderen jemand, der als Wachposten bei einer Bank tätig war. Sogar Reza hatte ein Zimmer im Souterrain einer Dienstwohnung und zählte als Straßenhändler ebenso zu unseren Nachbarn wie ein Mann namens Hassan Khanom, am Schlachthof von Teheran angestellt, sowie dessen Frau, Leichenwäscherin auf dem städtischen Behescht-e Zahra-Friedhof, und sein Stiefsohn, der im Krankenhaus arbeitete. In unserem Stadtteil lebten Lehrer, Fabrikarbeiter und Einzelhändler Seite an Seite mit einem Arzt, einem Kapitalisten und sogar einem Mullah. Auch ein pensionierter General lebte hier, mit einem großen Hund, dem einzigen Haushund in unserer Nachbarschaft.
Als die Unruhen einsetzten, äußerte sich des Generals jüngster Sohn, der etwa in unserem Alter war, widersprüchlich. Er sagte zum Beispiel: »Klar ist das ganze Land korrupt und verlogen, aber der Schah hat davon keinen blassen Schimmer, der Arme.«
Weil er ein umgänglicher Kerl war und sich mit allen in der Nachbarschaft gut verstand, hatten wir den Eindruck, dass er einfach das wiedergab, was sein Vater ihm eingeredet hatte. Ein Vater, der übrigens Blumen liebte und Lyrik, sich mit Leib und Seele der Pflege seines großen Gartens widmete – nach all den Jahren sehe ich ihn noch heute vor mir, mit einer Gartenschere in der Hand, einem großzügigen Lächeln auf den Lippen –, der zugleich einen besonders herzlichen Umgang mit den Jugendlichen pflegte, ihnen sogar Geld lieh, kurzum, ihre Kameradschaft suchte, was in unserer Nachbarschaft natürlich so manches Gerücht nährte.
Ich war zwar damals erst zweiundzwanzig, glaubte aber, als Student im letzten Studienjahr und auf dem Höhepunkt meiner jugendlichen U