Das bezaubernde Leben der Wasserschmetterlinge
Doch vorerst interessierte ich mich noch mehr für die Wasservögel. Die Ergebnisse meiner sechsjährigen Untersuchungen zu ihrem Vorkommen und ihrer Häufigkeit an den Stauseen am unteren Inn fasste ich kurz nach Beginn meines Zoologiestudiums zusammen und veröffentlichte sie. Die Arbeit wurde mir vom Zoologischen Institut formal als Zulassungsarbeit zur Staatsprüfung anerkannt. Daher konnte ich mich bereits wenige Semester nach Studiumsbeginn auf die Suche nach einer passenden Doktorarbeit machen. Eine Freilandforschung sollte es werden; am liebsten wäre mir eine Vertiefung meiner Wasservogelstudien gewesen. Doch der Dozent, an den ich mich wandte, meinte, ich solle mir so eine große Forschungsarbeit für die Zeit nach dem Doktorat aufbewahren und besser ein Thema bearbeiten, das auch Physiologie enthält. Von den drei Vorschlägen, die er mir gab, gefielen mir die Wasserschmetterlinge am besten. Ihr seltsames Leben hat tatsächlich viel mit Physiologie, mit der Physiologie der Atmung unter Wasser und den damit verbundenen Hautstrukturen der Raupen, zu tun.
Als spezielle Art wählte ich den Seerosenzünsler. Diesem kleinen zarten Schmetterling verdanke ich es, dass ich 1969 zum Dr. rer. nat. an der Ludwig-Maximilians-Universität München promoviert wurde. Einen Doktortitel gibt es für die unterschiedlichsten Forschungen, für reichlich obskure Themen mitunter, deren Sinnhaftigkeit nicht immer gleich von jedem verstanden wird. Mag sein, dass meine Doktorarbeit »Untersuchungen zur Biologie des WasserschmetterlingsNymphula nymphaeata« auch in diese Kategorie fällt. 1970 wurde sie in der »Internationalen Revue der gesamten Hydrobiologie«, Band 55 (Seiten 687–728) veröffentlicht. Dass es darin um die Lebensweise eines Wasserschmetterlings mit dem (frei übersetzt) sehr hübschen wissenschaftlichen Namen »Kleine Nymphe der Seerosen« ging, lässt sich dem Titel entnehmen. Was aber wirklich in dieser »Biologie« steckt, bedarf einer näheren Schilderung.
Noch immer begeistern mich der zarte Schmetterling und seine nähere Verwandtschaft so sehr, dass mein Herz spürbar schneller schlägt, wenn ich wieder einmal einen von ihnen erblicke oder Neues zu ihrer Lebensweise herausbekomme. Tatsächlich geschieht dies, auch wenn schon so viel Zeit seit meiner Dissertation vergangen ist. In solchen Momenten denke ich, was für ein Glück ich doch gehabt habe mit der Wahl des Doktorarbeitsthemas. Die Kleinen Nymphen der Seerosen prägten mich zum Freilandbiologen, der viel lieber draußen in der Natur als drinnen im Labor forscht. Sie hielten mein wissenschaftliches Streben offen für die Schönheiten, für das Wunder des Lebendigen. Als »Objekte«, als lediglich wissenschaftlich ergiebigen Forschungsgegenstand, hatte ich die kleinen Schmetterlinge nie ansehen oder behandeln können. Ihre Lebendigkeit fesselte mich.
Wie freute ich mich, wenn die kleinen Falter, die ich zum Beobachten daheim in einem Flugkäfig hielt, von meiner Fingerspitze ein Tröpfchen leicht gesüßten Wassers tranken. Danach machten sie immer einen leicht verwirrten Eindruck und suchten mit ihren Rüsseln umher. Was ich ihnen im Käfig mittels einer flachen Wasserschale an Pflanzen aus ihrem natürlichen Lebensraum der Ufer von Kleingewässern angeboten hatte, sagte ihnen offenbar nicht zu. So eingeschlossen, veränderte sich ihr Verhalten, das ich doch erforschen wollte, wahrscheinlich ziemlich stark. Die Raupen der Wasserschmetterlinge ließen sich in kleinen Aquarien leicht halten. Ihr Leben ist ganz auf Nahrungsaufnahme eingestellt. Und auf die regelmäßige Häutung, die sie für das Weiterwachsen nötig haben. Im Fressstadium stellen sie keine besonderen Ansprüche, außer dass sie das richtige Futter in Form der Blätter von Schwimmblattpflanzen bekommen. Selbst an dieses sind sie gar nicht so eng gebunden, wie das aus der bereits vorhandenen Fachliteratur hervorging. Die Entwicklung der Raupen aus den Eiern bis zur Verpuppung und das Schlüpfen der Falter hätte ich also durchaus direkt an meinem Arbeitsplatz im Zoologischen Institut der Universität München mitverfolgen können. Nicht aber das Leben der Falter.
Nymphula nymphaeata,