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Reden wir mal über das Mannsein
„Warum setzt du dich nicht mehr mit
ganzer Kraft für uns ein?
Wo sind deine großen Taten?
Warum hältst du dich zurück?“
JESAJA 63,15
Mein Vater war kein verbitterter Mann. Zwar prägte ihn jahrelang Gesetzlichkeit, er nahm auch seine Arbeit und seinen Glauben sehr ernst, er hatte aber trotzdem immer ein Lied auf den Lippen, ein Leuchten in den Augen und ein Schmunzeln um seine Mundwinkel. Im Gegensatz zu anderen Gesetzestreuen in unserem Bekanntenkreis kämpfte er gegen seine Ängste an. Letztendlich war er ein lausiger Gesetzesgläubiger. Sein Herz schlug irgendwie in einem anderen Rhythmus. Irgendetwas war bei ihm anders.
In jungen Jahren waren für meinen Vater vorbildliches Verhalten und gute Leistung gleichbedeutend mit Gottgefälligkeit, der äußere Beweis einer inneren wie persönlichen Glaubenserfahrung. Je besser das Auftreten nach außen, desto stärker war der Beweis dafür erbracht, dass man es mit Gott ernst meinte. Doch mit den Jahren schmolz sein Leistungsdenken dahin und ließ ein tiefes Verständnis zum Vorschein kommen, dass Gott ihn und den Rest von uns liebt, egal ob wir nun gute Leistungen für Gott erbringen können oder nicht. Mein Vater hatte ein Lied im Herzen. Seine klare Tenorstimme hörte man, während er die Kühe molk, während er die Straße entlangfuhr, wenn er in der Werkstatt arbeitete und viele Jahre, Tag um Tag, am Esstisch mit Familie und Freunden. Oftmals musste er von seiner Verwandtschaft Kritik einstecken, er sei nicht streng genug mit seinen Jungs. Doch seine Güte mir gegenüber rettete mein Leben.
Die Einzelheiten sind nicht so wichtig, er muss seine Geschichte selbst erzählen, doch mein Vater benötigte beinahe siebzig Jahre, bis er lernte, vollkommen ehrlich zu seiner Familie zu sein.
Wie lange habe ich dafür gebraucht? Und wie lange du?
Heute ist mein Vater ein freier Mann, und seine Freiheit – wie wir noch sehen werden – hat viel mit mir zu tun. Deine Kinder bleiben immer mit dir verbunden, im Guten wie im Schlechten.
Im Laufe der Jahre verschwendete ich mehr als nur einen flüchtigen Gedanken daran, ob ich dieses Buch schreiben soll oder nicht, doch schließlich habe ich mich entschlossen, dem Vakuum der Stille zu widerstehen. Eigentlich verstecke ich mich gerne in meiner ruhigen, kleinen Welt, genauso wie viele andere Männer, anstatt mit meinen ehrlichen, aber noch nicht ganz ausgereiften, Gedanken an die Öffentlichkeit zu gehen. Si