Kapitel 2
»Es kommt nicht darauf an, wie lange man wartet, sondern auf wen.«
Manche mögen’s heiß
Oh, bitte! Mach das Ding aus!« Stöhnend lehnte sich Bine im schmalen Hotelflur gegen die Wand, verzog das Gesicht und hielt sich den schmerzenden Kopf. Halb amüsiert, halb besorgt schaltete ich den altersbedingt unmenschlich röhrenden Staubsauger aus, mit dem ich den Teppichboden des Flurs bearbeitete.
»Hast du was gesagt?«
»Sehr witzig, Nina, wirklich sehr, sehr witzig.«
Bine hatte einen mordsmäßigen Kater und der Umstand, dass wir bereits seit sechs Uhr früh in unseremHostel One dafür sorgten, die freigewordenen Zimmer wieder bewohnbar zu machen, trug nicht dazu bei, ihren Zustand zu verbessern. Eher im Gegenteil. Es war ein langer Abend geworden. Lustig und fröhlich und mit reichlich Sekt.
»Ich trink’ nie wieder was. Ich schwöre es. Nie, nie wieder.«
»Das hast du beim letzten Mal auch gesagt, als wir Tomas’ Geburtstag gefeiert haben.«
»Das war Wodka. Selbstgebrannt. Den habe ich seitdem nicht mehr angerührt.«
Ich verkniff mir ein Grinsen und blickte Bine bedauernd an. Das Wochenende stand kurz vor der Tür und viele der Businessgäste hatten in der Früh ausgescheckt, um die ersten Flieger zu nehmen. Sie hinterließen das übliche Chaos. Warum die Mehrzahl sich die Woche über im Hotel wie die Schweine benahmen, war uns ein Rätsel. Aber die Berge von leeren Flaschen, Dosen, Fastfoodverpackungen und anderen weniger appetitlichen Überresten waren jedes Mal beeindruckend.
»Ich glaub, ich muss ...« Bine stöhnte und eilte bleich in eines der leeren Zimmer. Ein paar Sekunden später hörte ich sie die Badezimmertür zuschlagen.
In diesem Tempo würden wir nie rechtzeitig fertig werden. Um zehn sollte eine außerplanmäßige Belegschaftsversammlung beginnen, zu der uns das neue Hotel-Management verdonnert hatte. Ich klopfte an die Badezimmertür.
»Alles gut bei dir?«
»Ja, prima, alles bestens ...«
Ich hörte die Klospülung und im nächsten Moment öffnete Bine kreidebleich die Tür. »Mir geht’s super.«
Das sah nicht ganz danach aus.
»Pass auf, leg dich kurz hin. Den Rest mache ich alleine fertig.«
»Ich kann dich doch nicht ...«, protestierte sie schwach.
»Doch. Du kannst. In deinem Zustand bist du keine große Hilfe, glaub mir. Also mach schon. Danach geht’s dir besser.«
Bine nickte und ließ sich mit einem Stöhnen bäuchlings aufs Bett fallen.
Ich schloss die Tür hinter ihr und nahm mir das nächste Zimmer vor. Laut meiner Belegungsliste hatte der Gast bereits um sieben ausgecheckt. Trotzdem klopfte ich.
»Guten Morgen, Zimmerservice. Darf ich kurz stören? Good morning, Roomservice. May I?!«
Es kam keine Antwort und ich betrat den Raum. Das Bett war zerwühlt, die Vorhänge noch geschlossen und es roch etwas herbe nach männlichem Schlaf. Ich ging zum Fenster, um Licht und frische Luft in das stickige Zimmer zu lassen. Als ich mich wieder umdrehte, um das Bett abzuziehen, fiel mir auf, dass etwas nicht stimmte. Ganz und gar nicht stimmte. Auf dem Sessel lagen karierte Boxershorts und ein weißes T-Shirt; auf dem kleinen Schreibtisch stapelten sich Laptop, Mobiltelefon und diverse Ladekabel; auf einem Bügel am Kleiderschrank hing ein graublauer, teuer aussehender Anzug mit dazu passendem Hemd. Das sah nicht danach aus, als wäre hier jemand um sieben abgereist. Aus dem Badezimmer war nun das gedämpfte Rauschen der Dusche zu hören. Mist. Der Gast war noch da und ich sollte machen, dass ich hier rauskam. Ich hatte fast den Flur erreicht, als sich die Badezimmertür schwungvoll öffnete und der Gast frischgeduscht, mit einem Handtuch über dem Kopf sich die Haare trockenrubbelnd, hinaustrat. Bis auf das Handtuch auf dem Kopf trug er nichts. Und so nackt, wie Gott ihn geschaffen hatte, prallten wir zusammen.
»Autsch ... Scheiße ...«
Es war nicht die charmanteste Begrüßung, die man sich vorstellen konnte, aber mir fiel in dem Moment nichts Besseres ein.
»Scheiße, aua ...« Der unbekannte Nackte hatte zum Glück auch nichts Intelligenteres zu bieten. Er war sehr auf seinen Fuß konzentriert, auf den