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Boom am Jangtsekiang
Die rasante Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat dem Land Hochgeschwindigkeitszüge, U-Bahnen und Wolkenkratzer beschert. Gleichzeitig wurden Hunderte Millionen Menschen entwurzelt. Sie sind vom verarmten Landesinneren in die Küstenregionen in den Osten ausgewandert, wo man ein ganz anderes Chinesisch spricht und wo andere Sitten herrschen, aber wo es Arbeit gibt. Ganze Dörfer und Wohnviertel wurden abgerissen, um lukrative neue Immobilien zu bauen. Im Maoismus waren alle arm, trotz der Allmacht der Parteifunktionäre gab es für niemanden die Möglichkeit, sich persönlich zu bereichern. Heute verfolgt man den Lebensstil der Reichen und Superreichen im Internet. Marktwirtschaft und soziale Unterschiede sind Teil der Entwicklung. Die sozialen Gegensätze in der Volksrepublik China sind nicht geringer als in Indien, Brasilien oder anderen Schwellenländern. Aber dass sich Menschen gegen Ungerechtigkeiten wehren, ist im Einparteiensystem nicht vorgesehen. Über die Widersprüche in der sich stürmisch entwickelnden chinesischen Gesellschaft dringt wenig nach außen.
Um herauszufinden, wie die Menschen den Sprung in die neue Phase erleben, wie sie mit den unvermeidlichen Widrigkeiten umgehen, wollen wir das bekannte Terrain in Peking verlassen. Die dramatischen Veränderungen sind nirgends so deutlich zu spüren wie im Landesinneren.
Die größte Stadt der Welt
Wir ergründen das chinesische Hinterland für das »Weltjournal« des ORF in der Stadt Chongqing im Südwesten des Landes. In der alten Schreibweise war die Stadt bei uns als Tschungking bekannt. Mehr als 30 Millionen Menschen leben in der Stadtgemeinde Chongqing, formal die größte Stadt der Welt, die außerhalb Chinas aber kaum jemand kennt. Chongqing erstreckt sich auf ein Gebiet, das so groß ist wie Österreich.
Auf dem Weg vom Flughafen in das Kerngebiet der Stadt passiert der Be