: H. G. Wells
: Der Unsichtbare Vollständige Ausgabe
: Books on Demand
: 9783752862782
: 1
: CHF 6,20
:
: Science Fiction
: German
: 211
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das lange Experimentieren zahlt sich für den Wissenschaftler Griffin aus: Er entwickelt eine Substanz, die unsichtbar macht. Machtphantasien steigen in ihm auf und trüben seinen Geist. Er kann kaum noch klar denken. Der Unsichtbare geht in das südenglische Dorf Iping, um die Macht seiner Erfindung zu demonstrieren. Doch er stößt auf Schwierigkeiten. Der Ärger darüber setzt eine ungeheure Zerstörungswut in ihm frei. H. G. Wells spielt in »Der Unsichtbare« mit den faszinierenden Möglichkeiten der Naturwissenschaft und verweist zugleich auf die Gefahren, wenn das Wissen in die falschen Hände gerät. Der Bestseller-Autor Herbert George Wells (1866-1946) war einer der Begründer des modernen Science Fiction-Romans. Mit seinen wissenschaftlich fundierten Romanen wurde er einer der erfolgreichsten englischen Schriftsteller.

1. Kapitel. Die Ankunft des Fremden


An einem winterlich kalten Februartag, bei schneidendem Wind und Schneegestöber – dem letzten Schnee des Jahres – kam der Fremde von der Bahnstation Bramblehurst zu Fuß über die Düne, einen kleinen, schwarzen Mantelsack in der warm verwahrten Hand. Er war von Kopf bis zu Fuß eingehüllt, und der Rand des weichen Filzhutes verbarg sein Gesicht bis auf die glänzende Nasenspitze vollkommen. Der Schnee hatte sich auf seinen Schultern und seiner Brust festgesetzt und den Sack, den er trug, mit einer weißen Kruste bedeckt. Mehr tot als lebendig wankte er in den Gasthof »Zum Fuhrmann« und warf sein Gepäck auf den Boden. »Ein Feuer!« rief er. »Um der Barmherzigkeit willen! Ein Zimmer und ein Feuer!« In der Schankstube schüttelte er den Schnee von seinen Kleidern und folgte Mrs. Hall in das Gastzimmer, um wegen seiner Unterkunft zu verhandeln. Ohne dort noch ein weiteres Wort zu verlieren, warf er nachlässig zwei Goldstücke auf den Tisch und schlug in dieser formlosen Weise sein Quartier in dem Gasthofe auf.

Mrs. Hall machte Feuer im Kamin und ließ ihn dann allein, um ihm in der Küche eigenhändig eine Mahlzeit zu bereiten. In Iping zur Winterszeit einen Reisenden zu beherbergen, der überdies nicht knauserig zu sein schien, war ein unerhörter Glücksfall, und die Wirtin war entschlossen, sich ihres guten Sterns würdig zu erweisen.

Sobald der Speck am Feuer und Millie, das Hausmädchen, von ihr durch einige wohlgezielte Scheltworte aufgemuntert worden war, trug sie Tischtuch, Teller und Gläser ins Gastzimmer und begann mit der größten Aufmerksamkeit den Tisch zu decken. Sie war erstaunt, zu sehen, daß der Gast ihr den Rücken wendete, trotz des lustig flackernden Feuers Hut und Überrock anbehalten hatte und auf das Schneetreiben im Hof hinaussah.

Er hatte die behandschuhten Hände auf dem Rücken gefaltet und war anscheinend in Gedanken versunken. Sie bemerkte, daß der Schnee auf seinen Kleidern zu Wasser wurde und auf ihren Teppich herabtropfte.

»Kann ich Ihnen Hut und Rock abnehmen, mein Herr, und sie in der Küche trocknen?« fragte sie.

»Nein,« antwortete er, ohne sich umzuwenden.

Sie war nicht sicher, ob er sie verstanden hätte, und wollte schon ihre Frage wiederholen.

Da wandte er den Kopf und sah sie über die Schulter hinweg an. »Ich ziehe es vor, sie anzubehalten,« erklärte er mit Nachdruck, und sie konnte bemerken, daß er eine große, blaue Brille trug und ein buschiger Backenbart seine Wangen vollkommen bedeckte.

»Gut, mein Herr,« sagte sie, »wie's gefällig ist. Das Zimmer wird gleich warm werden.«

Er hatte sich wieder abgewandt und antwortete nicht. Da Mrs. Hall fühlte, daß die Zeit zur Anknüpfung eines Gespräches nicht gut gewählt sei, vollendete sie rasch und geräuschlos das Decken des Tisches und huschte hinaus. Als sie zurückkehrte, stand er noch an derselben Stelle, wie aus Stein geh