: Dietmar Krug
: Die Verwechslung
: Otto Müller Verlag
: 9783701362585
: 1
: CHF 17.10
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: Erzählende Literatur
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Frank Theves, ein erfolgreicher TV-Talkmaster, hat soeben seinen ersten Roman veröffentlicht. Aufgrund einer Äußerung in seiner Sendung erhält er eine fragwürdige Auszeichnung, den 'Giftigen Kaktus' für die schwulenfeindlichste Äußerung des Jahres. Theves greift das Thema auf und verstrickt sich immer tiefer darin, bis er auch die Menschen in seinem Umfeld verstört. Eine Freundschaft zerbricht, seine Ehe gerät in die Krise. Was treibt ihn an, warum kann er von dem Thema nicht lassen? Hat es womöglich etwas mit einer irritierenden Namensverwechslung zu tun, die Theves erst nach dem Erscheinen seines Romans bemerkt? Er hatte eine Szene aus seiner Schulzeit beschrieben, die Misshandlung eines Jungen durch einen Pater. Mit Absicht hatte er den Geistlichen beim Namen genannt. Doch nun wird ihm bewusst, dass er den Falschen an den Pranger gestellt hat. Als Theves über den Pater zu recherchieren beginnt, kommt ein Missbrauchsskandal ans Licht und Theves wird mit seiner eigenen verdrängten Vergangenheit konfrontiert. Seine scheinbar perfekte Existenz beginnt brüchig zu werden. Ein höchst aktueller Roman über Gender-Fragen, Homophobie und Political Correctness.

Angaben zur Person: geboren 1963 im Rheinland, studierte in Aachen und Wien Germanistik, Philosophie und Geschichte. Er promovierte 1996 über Thomas Mann. Seit 1988 lebt Krug in Wien, war dort zunächst freier Verlagslektor, bevor er 2004 begann, für die Tageszeitung Die Presse zu arbeiten, wo er unter anderem die 'Neuen Texte aus Österreich' betreute. Vier Jahre lang verfasste er für die Presse am Sonntag die Kolumne 'Diese Deutschen'. Mittlerweile lebt Dietmar Krug als freier Schriftsteller - er arbeitet an einem neuen Roman und schreibt regelmäßig Artikel in der ZEIT.

Der Buchstabe


Er wusste nicht, wie lange er schon wach lag. Mit geschlossenen Augen versuchte er, seinen Atem dem Ticken des Weckers anzupassen, um ruhiger zu werden. Neben sich hörte er die regelmäßigen Atemzüge seiner Frau, und er begann, sie um ihren Schlaf zu beneiden. Er zog sich das Betttuch vom Körper, Schweiß hatte sich auf seinem Brustbein gesammelt. Durch das geöffnete Schlafzimmerfenster drang die kühle Luft einer windstillen Frühlingsnacht. Der nahe Wald sandte Feuchte aus, aus der Ferne waren die Geräusche der Stadt zu hören.

Schließlich öffnete er die Augen und überließ sich seinen Gedanken, die in immer neuen quälenden Kreisen vergeblich versuchten, ein keimendes Unbehagen zu unterdrücken. Und obwohl er wusste, dass es zu nichts führen würde, ging er das Ganze noch einmal durch. Was drohte ihm jetzt eigentlich? Waren seine Ängste nicht haltlos übertrieben? Das schlimmste Szenario war doch folgendes: Ein Gericht würde die weitere Veröffentlichung seines soeben erschienenen Romans per einstweiliger Verfügung verbieten. Dann würde er halt mit offenen Karten spielen, seinen Fehler zugeben, die falsche Anschuldigung öffentlich aus der Welt räumen und den Ruf des Mannes, den er grundlos in den Dreck gezogen hatte, wiederherstellen. Aber würde das ausreichen? Könnten die Kläger den Verlag am Ende zwingen, die gesamte Auflage einzustampfen? Er nahm sich vor, gleich am nächsten Morgen seinen Verleger anzurufen, um ihm seinen fatalen Irrtum mitzuteilen und sich gemeinsam mit ihm auf das Kommende einzustellen. Der Name des Mannes, dem er in seinem Roman eine brutale Gewalttat an einem Kind untergeschoben hatte, kam nur in einer Szene vor, man könnte ihn zur Not mit ein paar Schwärzungen tilgen. Die Auflage war zwar hoch, weil der Verlag auf seine Popularität als Talkshow-Moderator gesetzt hatte. Aber ein paar Studenten könnten eine solche Tilgungsarbeit in einigen Tagen erledigen.

Er wälzte sich auf die Seite und atmete mehrmals tief ein und aus. Lassen Sie Ihre Gedanken ziehen, h