: Uta-Maria Heim
: Toskanisches Feuer Kriminalroman
: Gmeiner-Verlag
: 9783839258583
: Pfarrer Fischer
: 1
: CHF 6.20
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 345
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Geflüchteter aus Syrien, gesucht als Terrorist, bittet die Restaurantbesitzerin Giulia Franca um Hilfe. Pfarrer Fischer soll ihm Schutz gewähren, doch Tamir fühlt sich am Bodensee verfolgt und bedroht. Gemeinsam fliehen sie nach Porto Santo Stefano, eine illustre Gesellschaft im Schlepptau, die aus Geheimdienstleuten, Mafiosi, Rechtspopulisten und religiösen Fanatikerinnen besteht. Oder sind das alles nur Hochstapler? Währenddessen spielen Tamir und Fischers Schwester Sarah mit dem Feuer.

Uta-Maria Heim, geb. 1963 in Schramberg, lebt als Hörspieldramaturgin, Dozentin und Autorin in Baden-Baden. Sie studierte Literaturwissenschaft, Linguistik und Soziologie in Freiburg und Stuttgart und arbeitete ab 1983 als Journalistin, Kritikerin und Schriftstellerin. »Toskanisches Feuer« ist nach »Toskanische Beichte« der zweite Toskana-Krimi, den Uta-Maria Heim im Gmeiner-Verlag veröffentlicht. Sie erhielt zweimal den Deutschen Krimi-Preis, außerdem den Förderpreis Literatur des Kunstpreises Berlin, ein Stipendium der Villa Massimo in Olevano Romano sowie den Friedrich-Glauser-Preis. Sie ist Mitglied des PEN.

2


Es war einer der wenigen Morgen im Jahr, an denen es nicht nach Müll, Smog und Asthmaspray roch. Die Stadt kam zu sich selbst. Florenz lag verlassen im Dämmer, der sich hob. Während die Straßenlaternen sich ausknipsten, der noch halb pralle Mond eher Schiff als Sichel, entflammte am Himmel die Morgenröte. Zu Fuß ging Giulia von ihrem Appartamento zur Agentur. Als sie auf dem mittelalterlichen Ponte Vecchio, vorbei an den geschlossenen Geschäften, mutterseelenallein den Arno überquerte, spürte sie ein seltenes Hochgefühl. Sie ließ die Brücke hinter sich und tauchte ein in die Welt der Kirchen und Palazzi. Gottvoller Kitsch der Renaissance.

Giulia wurde die Schönheit der Kulisse, in der sie sich bewegte, nur noch selten bewusst. Darin glich sie den echten Florentinerinnen, die ihre Dreckschleudern dem echten David vorzogen, der in der luftgefilterten Galleria dell’Acca­demia vor sich hin schmorte, während draußen, auf der prächtigen, nach Taubenkot stinkenden Piazza della Signoria, einefünf Meter hohe abwaschbare Kopie thronte. Im Gehen checkte Giulia ihr Telefonino und lief an ein paar geparkten Motorinos vorbei in die Fußgängerzone. In einem Spiegel zwischen Eingang und Schaufenster einer Boutique erhaschte sie flüchtig ein Bild von sich. Für eine Frau in den besten Jahren sah sie noch gut aus: Naturblond, drahtig, sportlich. Aber die Bräune des Sommers verflog, die Haare wurden weiß und die Augenringe jeden Morgen tiefer. Giulia schminkte sich selten und mochte auch sonst nicht viel nachhelfen. Gegen nichts war man machtloser als gegen die Vergänglichkeit. Sie versuchte, den einsamen Moment zu genießen. An diesem Sonntag Ende September ging die Nachsaison definitiv zu Ende. In der Morgendämmerung war noch kein Mensch unterwegs. Die Läden waren geschlossen, das Pflaster nass. Ein kalter Wind strich durch die Gasse.

Giulias Büro lag zentral in der Via Porta Rossa zwischen Via Calzaiuoli und Via Tornabuoni, auf halbem Weg zwischen Arno und Dom. Eine bessere Lage gab es in Florenz kaum, es war eine der Hauptgeschäftsstraßen, und sie hatte ihren Preis. Zwischen einem Lederwarenladen und einer Pizzeria betrieb Giulia eine Tourismusagentur, die Agenzia Azzurro Vacanze Verde, die Ferienwohnungen vermittelte, Toskana-Aufenthalte organisierte, Touristen bespaßte, Seminare bestritt. Ein paar Jahre lang hatte sie nebenher für Carlo Scarivari, einen Immobilienmakler, gearbeitet, mit dem sie offiziell noch immer das Erdgeschoss-Büro teilte. Seitdem er vor über einem Jahr spurlos verschwunden war, zahlte sie seine Miete und erledigte seinen Job. Beides ging weit über ihre Verhältnisse, zumal eine Dessous-Kette ein Auge auf das ehemalige Ladenlokal geworfen hatte und der Vermieter versuchte, sie zu erpressen. Dass sie noch ein Ristorante weiter südlich am Tyrrhenischen Meer zu führen hatte, das »Da Roberto« in Marina di Santo Stefano, machte ihr zusätzlich Sorgen, weil es in den Wintermonaten kaum etwas einbrachte und sie investieren musste. Das Dach war nicht mehr dicht, die Elektrik schadhaft und der Gasherd in der Küche dringend erneuerungsbedürftig. Ebenso das Mobiliar, das durch die Sonne, das Salz und den Sand gelitten hatte. Außerdem mussten die Böden neu gefliest und die Wände frisch verputzt werden. Streichen konnte sie zur Not selbst.

Sie hatte alles, was sie besaß, in ihre Kinder investiert. Ihren Grips, ihre Kraft, ihr Vermögen. Fast alle Liebe, die sie