1. KAPITEL
Die Musik wurde leise von der Terrasse des Countryclubs herübergetragen. Das Mädchen stand allein am weit geöffneten Fenster und summte ein paar Takte der amerikanischen Melodie mit, nach der die Paare tanzten.
Ein unmerkliches Lächeln flog über ihr Gesicht. Dann blickte sie nachdenklich in den dunklen Park hinaus. Kein anderer Song hätte den Zustand besser beschreiben können, in dem sie sich gerade befand. Es war, als spielte die Band dieses Stück nur für sie.
Bay Bigelow, ein gut aussehender, hochgewachsener Mann, war Abkömmling einer wohlhabenden, alteingesessenen Familie. Aber Dina hatte von Anfang an gewusst, dass sie ihn nicht liebte. Die Verlobung mit ihm kam dennoch für niemanden überraschend.
Sie war zustande gekommen, wie das häufig in Familien der oberen Gesellschaft zu beobachten war: Man war sich in den vielen gemeinsamen Stunden im Countryclub fast zwangsläufig nähergekommen. Ein leichter Druck seitens der Eltern tat das Übrige, und irgendwann bot der junge Mann dem Mädchen einen Ring an, den sie annahm, bevor sie sich über die Bedeutung recht im Klaren war.
Diese Art Verbindung hatte natürlich auch ihren eigenen Reiz, aber wo blieb die atemlose Romantik, wo die leidenschaftliche Begegnung zweier wirklich verliebter Menschen?
Aber da war ihre Patentante Bella Rhinehart, der sie viel verdankte. Sie hatte Dina zu sich genommen, nachdem Lewis Caslyn Pleite gegangen war und Gerüchte über einen Wertpapierschwindel nicht wieder verstummten.
Jahrelang noch hatte Lewis, ihr Vater, in einer baufälligen Hütte in Malibu gelebt. Dann war er ganz plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Er wurde nie wieder gesehen. Es wurde angenommen, dass er ins Meer gegangen sei, um sich mit all seinen Enttäuschungen zu ertränken.
Bella wurde daraufhin zum offiziellen Vormund für Dina erklärt. Sie kümmerte sich um Dina wie um eine eigene Tochter, schickte sie auf die besten Schulen und machte Pläne für ihre Zukunft. Dabei brachte Bella es mit sanftem Druck fertig, in Dina das Gefühl einer Verpflichtung ihr gegenüber zu stärken. So, als müsste sie immer dankbar für ihr neues Zuhause sein und für die eleganten Kleider, vor allen Dingen aber auch dafür, dass sich ein Mann wie Bay Bigelow für sie interessierte.
Dina wusste, dass Bella ihr gekonnt ein Gefühl für Pflichtbewusstsein anerzogen hatte. Dieses Gefühl war auch dafür verantwortlich, dass sie jetzt diese Verbindung einging, eben weil Bella es so wollte. Genau genommen war es ja nur eine kleine Gegenleistung für die Sicherheit und Geborgenheit, die Dina in dem schönen Haus in Satanita erfahren hatte. Dies war immerhin für sie ein richtiges Zuhause geworden. Sie liebte diesen Ort, den Garten mit den Orchideen und mit den großen, alten Bäumen.
Die Band spielte inzwischen eine andere Tanzmelodie, aber Dina nahm das nur ganz am Rande wahr. In ihrer Stimmung trat aus einem unerfindlichen Grund plötzlich eine Änderung ein. Eine eigenartige Spannung bemächtigte sich ihrer. Sie spürte, nicht mehr allein zu sein. Über die Schulter warf sie einen Blick hinter sich ins Zimmer, aber sie war immer noch die Einzige. Auf dem Billardtisch in der Mitte des Raumes lagen wie verloren einige Kugeln.
Dina wandte sich wieder dem Fenster zu und starrte in die dunkle Nacht. Eine Zeit lang stand sie gedankenversunken und bewegungsl