: Vladimir Nabokov
: Dieter E. Zimmer
: Ada oder Das Verlangen Aus den Annalen einer Familie
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644056213
: 1
: CHF 10,00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 1056
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
«Ada» ist, selbst in Nabokovs herausragendem Werk, ein leuchtender Solitär. Es handelt von der unmöglichen Liebe zwischen den hochbegabten Geschwistern Ada und Van. Angesiedelt ist die Handlung auf dem imaginären Planeten Antiterra, auf dem sich erstaunlicherweise das alte Russland und das moderne Amerika friedlich überlagern. Die beiden Hauptfiguren, die in ihrer geistigen Überlegenheit faszinierend, aber auch unnahbar und amoralisch wirken, lieben außer einander nur ihre hochspezialisierten Hobbys (z.B. Entomologie, Botanik, Psychologie, Insektenkunde, russische Literatur oder das Auf-den-Händen-Laufen). Auf ihren Lebenswegen hinterlassen sie, unverschuldet schuldig geworden, eine Spur der emotionalen Verwüstung. Dieses Buch funkelt und provoziert auf jeder Seite und erzeugt eine eigentümliche Stimmung von ekstatischer Hellsichtigkeit. Es steckt voller überraschender Beobachtungen und Gedanken, wilder und abgründiger Erotik. Trotz aller erzählerischen Präzision bleibt es anarchisch in seiner konsequenten Weigerung, die Figuren zu erklären oder gar zu verurteilen. Es ist in Nabokovs Alterswerk der komplexe, an klugen Anspielungen und versteckten Scherzen überreiche Höhepunkt.

Vladimir Nabokov wird am 22. April 1899 in St. Petersburg geboren. Nach der Oktoberrevolution flieht die Familie 1919 nach Westeuropa. 1919-1922 in Cambridge Studium der russischen und französischen Literatur. 1922-1937 in Berlin, erste Veröffentlichungen, meist unter dem Pseudonym W. Sirin. 1937-1940 nach der Flucht aus Nazideutschland in Südfrankreich und in Paris, seit 1940 in den USA. 1961-1977 wohnt Nabokov im Palace Hotel in Montreux. Er stirbt am 2. Juli 1977.

2


Marinas Verhältnis mit Demon Veen begann an seinem, ihrem und Daniel Veens Geburtstag, am 5. Januar 1868, als sie vierundzwanzig war und beide Veens dreißig.

Als Schauspielerin hatte sie nichts von dem atemraubenden Talent, das die Kunst der Mimikry zumindest für die Dauer der Vorstellung wertvoller erscheinen lässt als den Preis für solche Rampenlichter wie Schlaflosigkeit, Phantasie und arrogante Artistik; jedoch an dem speziellen Abend, während jenseits von Plüsch und Puder weicher Schnee fiel, warla Durmanska (die dem großen Scott, ihrem Impresario, allein für Publicity wöchentlich siebentausend Golddollar zahlte und dazu eine prächtige Prämie für jedes Engagement) von Anfang an in diesem kitschigen, ephemeren Stück (einem amerikanischen Drama, von einem prätentiösen Schreiberling an einer berühmten russischen Liebesgeschichte entlanggeschrieben) so traumhaft, so süß, so aufregend, dass Demon (in amourösen Angelegenheiten nichtganz ein Gentleman) mit seinem Parkettnachbarn, Fürst N., eine Wette abschloss, ein Wachbataillon von Garderobieren bestach, um die Sylphide dann in einemcabinet reculé (wie ein französischer Autor eines früheren Jahrhunderts geheimnisvoll jenen kleinen Raum genannt hätte, in dem noch die zerbrochene Trompete und die Springreifen für die Pudel eines vergessenen Clowns neben vielen staubigen Töpfchen bunter Schminke herumstanden) zwischen zwei Szenen (Kapitel 3 und 4 des gemarterten Romans) schnurstracks zu besitzen. In der ersten Szene hatte sie sich in anmutiger Silhouette hinter einem halbdurchsichtigen Wandschirm entkleidet, war in einem zarten und zauberischen Nachthemdchen wieder hervorgekommen und hatte den Rest der erbärmlichen Szene damit verbracht, mit einer alten Amme in Eskimostiefeln über einen ortsansässigen Gutsbesitzer, Baron d’O., zu plauschen. Auf den Rat der unendlich weisen Frau vom Lande schrieb sie mit einer Gänsefeder, auf der Kante ihres Bettes an einem Louis XV.-Tischchen mit geschwungenen Beinen sitzend, einen Liebesbrief. Sie benötigte fünf Minuten, um ihn mit schmachtender, aber dennoch lauter Stimme vorzulesen, wovon niemand etwas hatte, denn die Amme döste auf einer Art Seemannskiste vor sich hin, und die Zuschauer waren vorwiegend mit dem Schimmer künstlichen Mondlichts auf den bloßen Armen und schwellenden Brüsten der liebeskranken jungen Dame beschäftigt.

Noch ehe die alte Eskimofrau mit der Botschaft davongeschlurft war, hatte Demon Veen seinen rosa Samtsitz verlassen und machte sich daran, die Wette zu gewinnen. Er war sich seines Erfolges umso sicherer, als Marina, eine Demivierge, seit ihrem letzten Tanz am Silvesterabend in ihn verliebt war. Überdies machten der tropische Mondschein, in dem sie gerade gebadet hatte, das durchdringende Empfinden ihrer eigenen Schönheit, der glühende Puls der just dargestellten Jungfer und der wackere Applaus eines beinah vollen