: Martin Burckhardt
: Philosophie der Maschine
: Matthes& Seitz Berlin Verlag
: 9783957575005
: 1
: CHF 20.80
:
: Philosophie
: German
: 358
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Maschine ist die große Unbekannte des Denkens. Wen dies sonderbar anmutet, weil man ihr als Metapher überall begegnet, werfe einen Blick auf unser Bild von Gott : Nacheinander wurde er von der Kultur zum Theaterereignis, zum Uhrmacher und schließlich zum Programmierer umgeschult. Worin liegt der philosophische Nerv der Maschine, dieser großen Unbekannten des Denkens ? Ausgehend von der Rätselfrage des ?deus ex machina? wird der Leser in kurzen, prägnanten Abschnitten mit dem ?Denken ohne Denker? konfrontiert. Über die historischen Exkursionen hinaus führt Martin Burckhardt in dieser philosophischen Grundlegung den Leser in die Gegenwart auf den so langsamen wie unweigerlichen Rückzug der Philosophie und der gleichzeitigen Explosion maschineller Intelligenzen hin. Die Maschine ist kein technisches Gadget mehr, sondern längst zur geistigen Größe geworden. Sie ist das Unbewusste der Philosophie, der Gesellschaft überhaupt. Würde der Geist der Maschine freigesetzt, wäre endlich eine nun von allem metaphysischen Ballast befreite, radikal geistesgegenwärtige Philosophie denkbar.

Martin Burckhardt, 1957 in Fulda geboren, ist Audiokünstler, Kulturtheoretiker, Spieleerfinder (TwinKomplex) und Dozent. Er verfasste diverse technikphilosophische Bücher zur Genealogie der Maschine, 2015 erschien bei Matthes& Seitz Berlin Alles und Nichts: Ein Pandämonium digitaler Weltvernichtung. Burckhardt lebt und arbeitet in Berlin.

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Einleitung


Vielleicht sucht man sich eine Frage nicht aus. Vielleicht ist es gerade umgekehrt, vielleicht erscheint eine Frage, eine wirklich drängende Frage wie ein Traumbild, nur dass es sich beim Erwachen nicht auflöst, sondern, als schwach leuchtender Himmelskörper, auch tagsüber noch zu sehen ist. Schließt man die Augen, beginnt es wie ein nachglühender Reflex oder ein Phantombild am Nachthimmel des Denkens herumzuspuken. Oder unter der Schädeldecke, wer weiß. Und vielleicht ist diese Unentschiedenheit zwischen Tag und Nacht, zwischen der körperlichen und der phantomartigen Erscheinung, das Wesen jener geistigen Unruhe, für die man – um sie einzuhegen – die Disziplin der Philosophie erfunden hat.

Es ist Jahre her, dass mich die Frage der Maschine heimgesucht hat. Nicht in Form eines Buches oder als Resultat einer Lektüre, sondern auf die beiläufigste Art und Weise. Es war im Tonstudio – und ich schaute auf das Display eines Samplers und registrierte, etwas verwirrt, dass die Maschine von mir zu wissen verlangte, ob ich den Hybrid unter einem anderen Namen abspeichern wolle. Eigentlich war es nur dieses Wort: Hybrid. Und die schlagartig einsetzende, unangenehme Erkenntnis, dass der Vorgang des Sampelns eine Form der Genetik darstellt, nur dass man hier nicht mit Lebewesen herumspielt, sondern mit Symbolen. Gewiss: all dies liegt weit zurück. Es war die Zeit, als man den Techno erfand, als der Kommunismus sich noch hinter einer Mauer verbarrikadierte und der Philosoph Habermas die neue Unübersichtlichkeit ausrief. Mag all dies Schnee von gestern sein, hat sich die Frage der Maschine so wenig erledigt wie das Befremden dieses Augenblicks. Ganz im Gegenteil. Die Frage der Maschine hat an Radikalität zugenommen, in einem Maße, das ich damals kaum für möglich gehalten hätte. So insistierte Craig Venter darauf, als er vor drei, vier Jahren ein synthetisches Bakterium vorstellte, dass man es hier nicht mit einem Akt der Biologie, sondern der Programmierung zu tun habe. Deswegen wolle er nicht von einem gentechnisch veränderten Lebewesen, sondern von etwas anderem sprechen: einersoftware driven machine. Aber was ist das: eine softwaregetriebene Maschine? Ganz offenkundig ist hier der somatische Teil als Maschine gedacht. Und dieser Maschine wiederum wird, über die Software, eine Intelligenz implantiert, die etwas