Vom Thurm der Frauenkirche hatte es eben erst Fünf geschlagen. Aber ein Schneesturm tobte durch die Gassen der Stadt und löschte den letzten bleichen Tagesschimmer so völlig aus, als wäre die Nacht schon hereingebrochen. Auch brannten schon seit einer Stunde in dem Atelier des jungen MalersRalph die drei Gasflammen, die ihm zu einer eiligen Arbeit hatten leuchten müssen. Es galt, an einer großen Landschaft die letzten Striche zu thun, um sie »Punkt Heiligabend«, wie der Besteller sich ausgedrückt hatte, seiner Frau ins Weihnachtszimmer hängen zu können. Er war Vormittags selbst gekommen, um den Meister an sein Wort zu mahnen, hatte die ansehnliche Summe, die ausgemacht war, in blanken Doppelkronen auf den Tisch gezählt und Nachmittags zwei handfeste Packträger geschickt, das Werk wie es gehe und stehe von der Staffelei zu holen. Die Leute hatten sich noch eine Weile gedulden müssen; immer noch konnte die letzte Hand sich nicht genugthun. Endlich hatte der Künstler, von seiner eigenen Erschöpfung bezwungen, da er seit dem ersten Tagesschein nicht von der Staffelei gewichen war, das Bild den Boten ausgeliefert und war dann wohl eine halbe Stunde auf dem Stuhl vor dem leeren Gestelle sitzen geblieben, mit geschlossenen Augen in sich hineinstarrend. Es war ihm jedesmal eine peinliche Empfindung, eine seiner Arbeiten in fremde Hände geben zu müssen. Wenn er seinem Werk dann am dritten Ort in schlechtem Licht, unter gemüthlosem Luxus von seelenlosen Augen begafft, wiederbegegnete, beschlich ihn eine peinliche Reue und Scham, als hätte er ein eigenes Kind in die Sclaverei verkauft und müßte mitansehen, wie es mißhandelt würde.
Nun vollends dieses Bild, an das er sechs Wochen lang all seine Liebe gewendet hatte. Die Skizze dazu, nach der Natur gemalt und unter anderen Entwürfen an die Wand geheftet, hatte dem reichen Kunstfreund in die Augen gestochen, und als Ralph äußerte, er könne sich nicht von diesem Stücke trennen, hatte Jener nicht nachgelassen und einen so hohen Preis geboten, daß der Maler in einem Augenblick der Schwäche auf den Antrag eingegangen war, ein großes Bild darnach zu malen. Hundert Mal hatte er seine Nachgiebigkeit, seinen Geiz verwünscht. Was für Erinnerungen an dieser Waldscenerie hingen, warum jeder Blick auf die sanft ansteigende grüne Halde, von hohen Fichten abgesc