: WUNDERRAUM
: Angekommen im Wunderraum Unsere neuen Bücher ab August 2018
: Wunderraum
: 9783641237738
: 1
: CHF 0.50
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
Vorableseproben zu allen Titeln des WUNDERRAUM Verlags, die im Herbst 2018 (ab 27.08.2018) erscheinen.
Gehen Sie mit einem lustigen Wladimir Kaminer an Bord eines Kreuzfahrtschiffs. Reisen Sie mit Elizabeth Kostovas Heldin durch archaische Landschaften auf den Spuren eines ungewöhnlichen Schicksals. Erfahren Sie in Rhys Thomas' Roman alles über einem Mann, der nachts als Superheld verkleidet Gutes tut. Schütteln Sie das Leben, bis alles herausfällt - wie die Heldin bei Keith Stuart. Oder folgen sie einer jungen Australierin und ihrer genialen Idee, Rezepte aus Lieblingsbüchern nachzukochen. 'Leben ist, es in die Hand zu nehmen', schreibt die Schweizer Autorin Angelika Waldis in ihrem wunderbar weisen Roman 'Ich komme mit' über eine alte Frau und ihren jungen Nachbarn, die gemeinsam aufbrechen. In diesem Sinne: Kommen Sie gut an!
Das kostenlose Leseproben-E-Book enthält Leseproben zu
- Wladimir Kaminer: 'Die Kreuzfahrer'
- Elizabeth Kostova: 'Das dunkle Land'
- Angelika Waldis: 'Ich komme mit'
- Rhys Thomas: 'Wenn der Rest der Welt schläft'
- Keith Stuart: 'Das ganze Leben auf einmal'
- Kate Young: 'Little Library Cookbook. 100 Rezepte aus den schönsten Romanen der Welt'

Erstes Buch

Kapitel 1

Sofia, das Jahr: 2008. Der Monat: Mai. Es herrschte strahlendes Frühlingswetter, und die Göttin Kapitalismus saß auf ihrem bröckelnden Thron. Auf der obersten Stufe der Vortreppe des Hotels Forest stand eine junge Frau, eigentlich eher Mädchen als Frau, Fremde und Fremdkörper zugleich. Vom Hotel blickte man auf dasNDK, den Kulturpalast des früheren kommunistischen Regimes, einen gigantischen Betonklotz, der jetzt von Teenagern umlagert wurde; ihre gegelten Spikes glitzerten in der Sonne, die auf den belebten Platz herabschien. Alexandra Boyd, erschöpft von einem schier endlosen Flug, sah den bulgarischen Kids auf ihren Skateboards zu und versuchte, sich das lange glatte Haar hinter das Ohr zu streichen. Zu ihrer Rechten erhoben sich graue und ockerfarbene Mietskasernen neben moderneren Gebäuden aus Glas und Stahl sowie eine Plakatwand mit dem Bild einer Bikinischönheit, deren Brüste sich nach einer Flasche Wodka reckten. Unweit der Reklametafel blühten imposante Bäume in Weiß und Magenta – Rosskastanien, die Alexandra von einem Studientrip nach Frankreich kannte, ihrer einzigen anderen Europareise. Sie hatte trockene Augen, und der Schweiß auf ihrer Kopfhaut juckte. Sie musste dringend essen, duschen, schlafen – ja, schlafen, nach dem letzten Flug von Amsterdam, bei dem sie alle paar Minuten aus ihrem Dämmer gerissen worden war, zurück in ihr selbst gewähltes Exil in den Wolken. Sie sah auf ihre Füße, um sich zu vergewissern, dass sie noch da waren. Bis auf ein Paar hellrote Sneakers war sie schlicht gekleidet – dünne Bluse, Jeans, eine um die Hüften geknotete Strickjacke –, sodass sie sich neben den maßgeschneiderten Röcken und High Heels, die an ihr vorüberstöckelten, geradezu schäbig vorkam. An ihrem linken Handgelenk trug sie ein breites schwarzes Armband, dazu passend lange Obsidianohrringe. Sie umklammerte die Griffe eines Rollkoffers und einer dunklen Satchel-Bag, in der sich ein Reiseführer, ein Wörterbuch und Kleider zum Wechseln befanden. An ihrer Schulter baumelten ihr Laptop und die bunte Umhängetasche, in der ihr Notizbuch und ein Gedichtband von Emily Dickinson steckten.

Vom Flugzeug aus hatte Alexandra eine von Bergen umringte Stadt gesehen, flankiert von Wohntürmen, die wie Grabsteine in die Höhe ragten. Als sie mit ihrer neuen Kamera in der Hand aus der Maschine gestiegen war, hatte sie ungewohnte Luft geatmet – Kohle und Diesel, dann ein Windstoß, der nach frisch gepflügter Erde roch. Sie war mit dem Flughafenbus zum Ankunftsterminal gefahren und hatte die nagelneuen Zollkabinen bestaunt, die schweigsamen Beamten, den exotischen Stempel in ihrem Pass. Ihr Taxi war eine Zeit lang durch die Außenbezirke Sofias gekurvt, ehe es ins Herz der Hauptstadt vorgestoßen war – ein unnötiger Umweg, wie sie jetzt vermutete –, vorbei an Straßencafés und Laternenmasten, an denen entweder Werbung für Sexshops oder Wahlplakate hingen. Durch das Taxifenster hatte sie uralte Opels und Fords fotografiert, neue Audis mit getönten Scheiben, wie im Gangsterfilm, große, sich träge dahinschleppende Busse und Straßenbahnen wie scheppernde Megalosaurier, deren Räder grelle Funken schlugen. Mit Verwunderung hatte sie festgestellt, dass die Stadtmitte gelb gepflastert war.

Doch der Fahrer hatte sie offenbar irgendwie missverstanden und sie hier abgesetzt, am Hotel Forest, nicht an dem Hostel, wo sie schon vor Wochen ein Zimmer gebucht hatte. Das allerdings hatte Alexandra erst