: John Steinbeck
: Der Winter unseres Missvergnügens Roman
: Manesse
: 9783641217389
: Manesse Bibliothek
: 1
: CHF 13.40
:
: Erzählende Literatur
: German
: 608
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die ultimative Abrechnung mit dem menschenverachtenden US-Kapitalismus
John Steinbecks letzter Roman ist ein bis heute gültiges Lehrstück über Geld und Moral: Sein Protagonist Ethan Hawley, Hätschelkind der Finanzaristokratie von Long Island, muss sich um materielle Dinge nicht sorgen - bis ihn die Pleite seines Vaters plötzlich zwingt, auf eigenen Beinen zu stehen. Um Frau und Kinder ernähren zu können, tritt er eine schlechtbezahlte Stelle als Verkäufer in einem Lebensmittelladen an. Rasch erkennt jedoch er, dass redliches Tagwerk einen Mann nicht weiterbringt. Unter dem Einfluss seiner Frau und dem seines Bankberaters entledigt er sich aller Menschlichkeit und steigt zum skrupellosen Geschäftsmann auf, der ohne Rücksicht auf andere nur den eigenen Vorteil sucht.

John Steinbeck wurde 1902 in Kalifornien geboren. Sein 1919 begonnenes Studium der Naturwissenschaften beendete er nach fünf Jahren ohne Abschluss, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. In seinen Büchern thematisierte Steinbeck vor allem die Lebensverhältnisse einfacher Arbeiter und sozial schwächer Gestellter. Zu seinen bekanntesten Werken zählen dabei die Novelle 'Von Mäusen und Menschen' sowie die beiden Romane 'Früchte des Zorns' und 'Jenseits von Eden'. 1962 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. John Steinbeck verstarb 1968 in New York. Er gilt bis heute als einer der erfolgreichsten und beliebtesten Autoren der USA.

Erster Teil

1

Kaum wurde Mary Hawley vom schönen goldenen Aprilmorgen geweckt, drehte sie sich zu ihrem Gatten um, nur um zu sehen, wie er ihr mit seinen kleinen Fingern einen Froschmund zog.

«Du bist albern, Ethan», sagte sie. «Hör auf, herumzukaspern.»

«Ach, sag an, Miss Mäuschen, willst du mich heiraten?»

«Bist du schon albern aufgewacht?»

«Das Jahr beginnt mit diesem Tag, der Tag mit diesem Morgen.»

«Sieht ganz danach aus. Weißt du wenigstens, dass heute Karfreitag ist?»

Mit dumpfer Stimme verkündete er: «Die niederträchtigen Römer sammeln sich zum Marsch auf Golgatha.»

«Nun lästere nicht auch noch. Erlaubt Marullo dir heute, den Laden um elf zu schließen?»

«Liebste Gluckenblume, Marullo ist Katholik und obendrein Itaker. Der lässt sich heute bestimmt nicht blicken. Ich mache über Mittag zu, bis die Hinrichtung vorbei ist.»

«Das ist Pilgervätergerede und gar nicht nett.»

«Unsinn, Marienkäferchen. Das kommt von meiner mütterlichen Seite, ist also Piratengerede. Und wie du weißt, ist’s ja wirklich eine Hinrichtung gewesen.»

«Die waren gar keine Piraten. Walfänger waren sie, hast du selber gesagt, und du hast auch gesagt, sie hätten dafür Freibriefe oder so was vom Kontinentalkongress1 gehabt.»

«Die Besatzung der Schiffe, auf die sie feuerten, haben sie jedenfalls für Piraten gehalten. Und die römischen Kommissköpfe hielten es für eine Hinrichtung.»

«Jetzt bist du sauer. Albern mag ich dich lieber.»

«Ich bin doch albern. Weiß jeder.»

«Du machst mich immer ganz konfus, dabei kannst du wirklich stolz auf dich sein – Pilgerväter und Walfangkapitäne in ein und derselben Familie.»

«Wären sie’s?»

«Wie bitte?»

«Wären meine großartigen Vorfahren stolz, wenn sie wüssten, dass sie einen gottverdammten Verkäufer in einem gottverdammten Itakerladen in jener Stadt hervorgebracht haben, die einmal ihnen gehört hat?»

«Bist du doch gar nicht. Du bist fast so was wie der Geschäftsführer, führst die Bücher, bringst das Geld zur Bank und bestellst die Ware.»

«Klar doch, und ich fege aus, trage den Müll nach draußen, katzbuckle vor Marullo, und wär ich ein gottverdammter Kater, würde ich auch noch seine Mäuse fangen.»

Sie legte ihre Arme um ihn. «Komm, lass uns lieber albern sein», sagte sie. «Und bitte fluch nicht am Karfreitag. Ich liebe dich doch.»

«In Ordnung», sagte er nach einem Moment. «Das behaupten sie alle, ab