Als Juventus gegründet wurde, war Turin noch keine Arbeiterstadt und der Fußball alles andere als ein Volkssport. Aber beides änderte sich innerhalb von wenigen Jahrzehnten. Um 1900 erlebte Turin einen rasanten Wandel von der Residenzstadt des Königsgeschlechts der Savoyer, die hier zwischenzeitlich sogar die Kapitale des neuen Königreichs Italien installiert hatten, zum italienischen Manchester. Nach dem Wegzug des Hofes nach Rom hatte die Stadt zunächst einen Niedergang erlitten – von 220.000 Einwohnern 1864 auf 165.000 nur zwanzig Jahre später. Rom war nun der Mittelpunkt des neuen Reiches und Turin nur noch eine Provinzstadt im äußersten Nordosten, ein italo-französisches Zwitterwesen, das sich lieber an Paris als an der Stadt der Päpste orientierte und nun, da ein kleines Heer von Beamten und Hofleuten sich knapp 700 Kilometer weiter südlich ansiedelte, wie verlassen dalag. Das allerdings sollte nicht lange so bleiben. Das »große Dorf am Fuße der Alpen«, wie Napoleon die Stadt despektierlich genannt hatte, wandelte sich im Eiltempo zur Industriemetropole. Ihre Peripherie wucherte ins Umland, um die vielen Zuwanderer aus den Hügeln des Piemont aufzunehmen, die sich lieber als Fabrikarbeiter verdingen wollten, als weiter für unsicheren Lohn ihre Felder zu bestellen.
Bereits 1914 hatte sich die Zahl der Turiner auf 443.000 eingependelt, also gegenüber der alten Savoyer Residenzstadt verdoppelt. Das lag an der Anziehungskraft der neuen Fabriken. Textil- und Chemieunternehmen ließen sich nieder, Süßwaren und andere Lebensmittel wurden in großem Stil prod