1 Der Schuppen
Der Regen hatte aufgehört, und sie fuhren auf ihren Rädern am Fluss entlang. Bisher war der Mai kühl und nass gewesen. In diesem Jahr hatten sie noch kein einziges Mal am Ufer im Gras gelegen. Nach dem Schauer kam die Sonne durch, und es schien erstmals richtig warm zu werden. Nott hielt an und ließ sein Fahrrad ins Gras fallen. Durch das Schilf sahen sie den Fluss vorbeiziehen: schnell und geschäftig, als müsse er heute noch irgendwo ankommen.
Nott wollte sich hinsetzen, aber Gregor war das Gras zu feucht. »Ich würde mir lieber mal den Schuppen da drüben ansehen«, sagte er.
Der Schuppen stand sechzig Meter vom Ufer entfernt, ein verwitterter Holzbau mit einer winzigen Veranda davor. Das Holz war einmal rostrot gewesen; inzwischen war es blass und hell. Gregor fühlte sich an die Laube erinnert, die früher in ihrem Schrebergarten in Thalheim gestanden hatte. Es war das einzige Gebäude hier weit und breit; der Rand der Stadt lag schon gut zwei Kilometer hinter ihnen.
Sie untersuchten die Tür, die nicht abgeschlossen war. Gregor rief ein paarmal leise Hallo, aber es kam keine Antwort. Nott zog die unverschlossene Tür langsam auf, ohne dass etwas Schreckliches geschah. Sie waren auf Gestank gefasst, auf Ungeziefer, einen Tierkadaver vielleicht, irgendetwas Ekliges. Der Bau war jedoch ganz leer; nur eine lange Sitzbank stand an der gegenüberliegenden Wand. Es roch muffig, aber nicht widerlich. Der Schuppen war solide gebaut und überraschend warm. Die drei Fenster, zwei nach vorn und eins nach hinten, starrten fast blind.
Sie waren keine Kinder mehr; dies hier sollte kein Unterschlupf für Tom Sawyer und Huckleberry Finn werden. Sie waren fünfzehn Jahre alt und sehnten sich nach Ruhm und nach Mädchen, mit denen man etwas anfangen konnte. Aber der Bau konnte ein Ort werden für sie. Er stand im Niemandsland, und kaum jemand kam hier vorbei. Wer immer diese Hütte einmal errichtet hatte, er war vielleicht gestorben oder hatte einfach keine Verwendung mehr dafür, und sie würden sie übernehmen: Nur sie beide, niemand sonst würde davon erfahren, das versprachen sie sich.
»Ich besorge ein Schloss«, sagte Nott.
»Ein Schloss?«
»Wir müssen die Tür absperren können, wenn wir hier drin sind.«
»Stimmt, ja. Kannst du das, ein Schloss einbauen?«
»Kann ich, ja. Morgen Nachmittag. Danach putzen wir die Fenster.«
Am nächsten Tag fuhren sie gleich nach dem Mittagessen dorthin und achteten darauf, dass ihnen niemand folgte. Es war noch wärmer geworden. Nott hatte einen Eimer voller Putzmittel mitgebracht und das Schloss mit zwei Schlüsseln. Nach zwei Stunden Arbeit unter Notts Anleitung hatten sie den leeren Schuppen gesäubert, und durch die Fenster fiel Licht, auch wenn innen noch immer ein angenehmer