: F. Scott Fitzgerald
: Der große Gatsby Reclam Taschenbuch
: Reclam Verlag
: 9783159613437
: Reclam Taschenbuch
: 1
: CHF 7.10
:
: Hauptwerk vor 1945
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
F. Scott Fitzgeralds Meisterwerk von 1925 ist eine der großen Liebesgeschichten der Weltliteratur. Jay Gatsby, durch dubiose Geschäfte zum Millionär geworden, gibt in seiner Villa auf Long Island glanzvolle Partys für die New Yorker Gesellschaft. Er selber aber träumt davon, die Vergangenheit wiederzubeleben und seine große Liebe zurückzugewinnen. Doch die Suche nach der verlorenen Zeit endet tragisch.

Erstes Kapitel


In meinen jüngeren und verletzlicheren Jahren hat mir mein Vater einen Rat erteilt, den ich seitdem immer wieder in meinem Herzen bewege.

»Wann immer dir danach ist, jemanden zu kritisieren«, sagte er mir, »bedenke, dass nicht alle Menschen auf dieser Welt dieselben Vorteile genossen haben wie du.«

Mehr sagte er nicht, aber auf unsere zurückhaltende Art hatten wir uns schon immer außerordentlich gut verstanden, und ich begriff, dass er erheblich mehr damit sagen wollte. Infolgedessen neige ich dazu, mich jeden Urteils zu enthalten, eine Gewohnheit, die mir viele eigenartige Naturen erschlossen hat, die mich aber auch zum Opfer nicht weniger altgedienter Langweiler werden ließ. Zeigt sich diese Eigenschaft in einem durchschnittlichen Menschen, spüren ungewöhnliche Geister sie rasch auf und halten sich daran fest, und so kam es, dass man mich auf dem College zu Unrecht beschuldigte, ein kluger Taktierer zu sein, da ich in den geheimen Kummer unbekannter ausschweifender Männer eingeweiht war. Die meisten dieser vertraulichen Bemerkungen fielen unaufgefordert – oft täuschte ich Schlaf, Fahrigkeit oder ablehnende Ungezwungenheit vor, sobald ich einem untrüglichen Zeichen entnahm, dass mir eine intime Enthüllung bevorstand; denn die intimen Enthüllungen junger Männer oder zumindest die Worte, mit denen sie diese zum Ausdruck bringen, sind gewöhnlich nur nachgeahmt und durch offensichtliche Verdrängung entstellt. Sich jeden Urteils zu enthalten ist eine Sache unendlicher Hoffnung. Ich fürchte noch immer, etwas zu übersehen, wenn ich mir nicht vor Augen führe, dass das Gespür für die Grundregeln des Anstands, wie mein Vater einst überheblich behauptete und wie ich es hier überheblich wiederhole, von Geburt an ungleich verteilt ist.

Und nachdem ich mich so mit meiner Toleranz gebrüstet habe, erfolgt nunmehr das Geständnis, dass diese Toleranz auch ihre Grenzen hat. Das Betragen eines Menschen mag auf hartem Felsen gebaut sein oder auf feuchten Sümpfen, doch von einem gewissen Punkt an ist es mir gleichgültig, worauf es gebaut ist. Als ich letzten Herbst von der Ostküste zurückkam, hätte ich die Welt am liebsten für immer in Uniform und in einer Art moralischer Hab-achtstellung gesehen; ich wollte keine turbulenten Streifzüge mehr, die mir vertrauliche Einblicke in das menschliche Herz verschaffen. Einzig und allein Gatsby, dem dieses Buch seinen Namen verdankt, blieb von meiner Reaktion verschont – Gatsby, der für alles stand, was ich aus tiefster Seele verachte. Wenn die Persönlichkeit eine ununterbrochene Folge geglückter Gesten ist, dann hatte er etwas Blendendes, eine erhöhte Empf