Chuck Palahniuk
DIE MACHT DER BEHARRLICHKEIT
EIN VORWORT
Meine liebsten Bücher sind die, die ich nicht zu Ende gelesen habe. Viele von ihnen fand ich beim ersten Durchgang furchtbar:Der Tag der Heuschrecke, 1984, Schlachthof 5. SogarJesus’Sohn las sich für mich so befremdlich, dass ich aufgab und das Buch beiseitelegte. Die Highschool ließ michDer große Gatsby und die Geschichten von John Cheever hassen. Ich war damals eine fünfzehnjährige Pickelfabrik. Wie sollte ich die verbitterte Desillusionierung des dreißigjährigen Nick Carraway begreifen? So, wie ich aufwuchs, in einem Trailer, der eingepfercht zwischen einem Staatsgefängnis und einem Atomreaktor stand, erschien mir Cheevers vornehme Welt der Country Clubs und Pendlerzüge unwirklicher als das Land Oz.
Nach einigen Jahren und vielen Fehlstarts dieser Art, stieß ich auf eine Ausgabe von Brett Easton Ellis’Die Informanten, die ich schon fast vergessen hatte, und las sie in einem Rutsch von vorne bis hinten. Seitdem habe ich das Buch immer wieder gekauft, um es an Freunde weiterzugeben, unzählige Exemplare davon, immer mit der Vorwarnung: «Anfangs wirst du es hassen …»
Ich möchte ja nicht angeben, aber ich habe einmal mit Ellis zusammen zu Abend gegessen und bei diesem Anlass fragte er mich, aufFight Club bezogen: «Wie fühlt es sich an, dass aus einem Ihrer Bücher einguter Film gemacht wurde?» Damit spielte er auf die Verfilmung seines BuchesUnter Null an, die damals allseits kritisiert wurde. Kurioserweise habe ich mir den Film erst vor Kurzem angesehen – die Bangles singen «Hazy Shade of Winter», ach, und die schmalen Krawatten und die dicken Schulterpolster, ach, und die Hosen mitBügelfalten – und ich musste weinen, so sehr hat er mich bewegt. Ein Teil meiner Rührung war sicherlich nostalgischen Gefühlen geschuldet. Aber auch der Tatsache, dass ich klug oder alt oder offen genug geworden war, um auch eine Geschichte schätzen zu können, die nicht ausschließlich von mir selbst handelt.
Junge Menschen wollen Spiegel. Ältere Menschen wollen Kunst. Wenn ich mich, meine Welt, nicht in Cheever oder Gatsby wiederfand, dann lehnte ich sie ab.
Anders argumentiert: Ich habe nicht von Anfang an eine Brille getragen. Während der ersten drei Jahre auf der Highschool verfluchte ich regelmäßig die Idioten, die auf die Idee gekommen waren, die Uhren so weit oben an den Wänden aufzuhängen. Also wirklich, warum eine Uhr so hoch hängen, dass niemand mehr die Zeit ablesen kann? Dasselbe galt für Basketballkörbe. Das Spiel verlangte, dass man einen Basketball in Richtung eines Dings beförderte, das so weit weg hing, dass man es kaum sehen konnte. Ein sinnloses Spiel, ersonnen von Verrückten.
Doch mit acht Jahren bekam ich meine erste Brille und plötzlich ergab die Welt wieder einen Sinn. Uhren waren nicht mehr nur ein verschwommener, weißer Fleck an der Wand. Das unerklärliche Geräusch, das immer entstand, wenn ein Spieler einen Fehlwurf hinlegte – ic