: Vladimir Nabokov
: Dieter E. Zimmer
: Lolita
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644056312
: Nabokov: Gesammelte Werke
: 1
: CHF 10,00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 720
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der zweifach verfilmte Roman einer fatalen Obsession, ein Weltbestseller: Der Literaturwissenschaftler Humbert verliebt sich in das noch sehr junge Mädchen Dolores Haze, nennt sie «Lolita». Die einseitige Leidenschaft mu?ndet in einer Odyssee quer durch die USA und am Ende in einen Mord.

Vladimir Nabokov wird am 22. April 1899 in St. Petersburg geboren. Nach der Oktoberrevolution flieht die Familie 1919 nach Westeuropa. 1919-1922 in Cambridge Studium der russischen und französischen Literatur. 1922-1937 in Berlin, erste Veröffentlichungen, meist unter dem Pseudonym W. Sirin. 1937-1940 nach der Flucht aus Nazideutschland in Südfrankreich und in Paris, seit 1940 in den USA. 1961-1977 wohnt Nabokov im Palace Hotel in Montreux. Er stirbt am 2. Juli 1977.

5


Wenn ich mich zu jenen Tagen meiner Jugend zurückwende, kommt es mir vor, als flögen sie in immer gleichen bleichen Fetzen von mir fort, ähnlich dem morgendlichen Gestöber benutzten Krepppapiers, das ein Eisenbahnreisender im Aussichtswagen hinter sich wegwirbeln sieht. Bei meinen hygienischen Beziehungen zu Frauen ging ich fortan praktisch, ironisch und bündig vor. Als Student in London und Paris genügten mir bezahlte Damen. Mein Studium war peinlich genau und intensiv, wenn auch nicht sonderlich ergiebig. Zuerst hatte ich vor, Psychiatrie zu meinem Prüfungsfach zu machen, wie so viele nicht ganz hinreichend Begabte es tun; aber bei mir reichte es noch weniger; eine merkwürdige Erschöpfung – Herr Doktor, ich bin so bedrückt – stellte sich ein, und ich wechselte zur englischen Literatur über, bei der so viele verhinderte Dichter als pfeiferauchende Lehrer in Tweedjacken enden. Paris sagte mir zu. Ich diskutierte Sowjetfilme mit Emigranten. Ich saß mit Uranisten im Café ‹Deux Magots›. Ich veröffentlichte verquälte Essays in obskuren Blättern. Ich verfasste Pastiches:

… Fräulein von Kulp

mag sich wenden, die Hand an der Tür;

ich folge weder Fresca noch ihr

und auch nicht der Möwe.

Einer meiner Artikel,Das Proust-Thema in einem Brief von Keats an Benjamin Bailey, wurde von den sechs oder sieben Literaten, die ihn lasen, mit Schmunzeln aufgenommen. Ich nahm im Auftrag eines Verlags mit großem Namen eineHistoire abrégée de la poésie anglaise in Angriff und begann, das Handbuch der französischen Literatur für englischsprachige Studenten (mit vergleichenden Auszügen aus der englischen Literatur) zusammenzustellen, das mich bis zum Ende der vierziger Jahre beschäftigen sollte – und dessen letzter Band bei meiner Verhaftung beinahe druckfertig war.

Ich fand eine Stelle als Englischlehrer einer Erwachsenengruppe in Auteuil. Danach unterrichtete ich ein paar Winter lang in einer Knabenschule. Ab und zu benutzte ich die Bekanntschaft, die ich mit Sozialarbeitern und Psychotherapeuten angeknüpft hatte, um in ihrer Begleitung allerlei Einrichtungen wie Waisenhäuser oder Besserungsanstalten zu besuchen, wo man dichtbewimperte, blasse, pubertierende Mädchen mit so völliger Straffreiheit anstarren durfte, wie es einem sonst nur in Träumen gestattet ist