: Bergsveinn Birgisson
: Die Landschaft hat immer recht
: Residenz Verlag
: 9783701745685
: 1
: CHF 14.40
:
: Erzählende Literatur
: German
: 264
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
An der einsamsten Küste Islands, in einem kleinen Dorf in den Westfjorden, in dem die Zeit stillzustehen scheint, lebt Halldór, genannt Dóri, als Fischer. Täglich fährt er auf einem kleinen Kutter hinaus und zieht Kabeljau, Seehasen oder Hering aus dem Meer. In seinem Tagebuch schreibt Dóri über das Wetter und die Natur, die sein Leben bestimmen, über philosophische Fragen, die ihn beschäftigen, und über seine Suche nach der Liebe. Der alte, weise Jónmundur, der selbst nach einem Schlaganfall ans Bett gefesselt ist, ist es, der dem jungen Mann die Schönheit der Welt offenbart. Als Dóri vor einer großen Entscheidung steht, ermutigt ihn Jónmundur, um die Frau seines Lebens zu kämpfen.

Bergsveinn Birgisson, geboren 1971 in Rejkjavik, studierte altnordische Literatur in Bergen (Norwegen) und forscht vor allem zur Dichtung des skandinavischen Mittelalters. Er publizierte zwei Gedichtbande und mehrere Romane, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Sein Romandebut 'Die Landschaft hat immer recht' (Landslag er aldrei asnalegt) erschien 2003 und wurde für den Isländischen Literaturpreis nominiert, mit seinem dritten Roman 'var vid brefi Helgu' wurde er 2012 für den Literaturpreis des Nordischen Rates nominiert. Bergsveinn Birgisson lebt in Bergen, wo er auch an der Universität lehrt. In norwegischer Übersetzung erscheinen Birgissons Romane im ausgewählten Literaturprogramm des Pelikanen Forlag, der von Karl Ove Knausgard geleitet wird.

Das Begräbnis von Snæfríður und Überlegungen zur nächsten Welt


Kein Wetter zum Hinausfahren in den letzten Tagen. Eine Windfront aus Westen und Nordwesten im Fjord und die Seehunde wälzen sich auf den Schären und warten auf ein Wunder. Die Wolken sehen nicht viel anders aus als auf den Heiligenbildchen der Sonntagsschule, die wir als Kinder gesammelt haben und auf denen Christus gerade im Begriff war, vom Himmel herabzusteigen. Weiße, dicke Pölster mit Löchern aus dem Blau des Frühlingshimmels dazwischen. Hierher ist dennoch kein Christus gekommen, und auch keine anderen Touristen, andererseits ist die alte Snæfríður von Kúvíkurnes ihren Weg gegangen. Sie wurde am Sonntag beerdigt und wir Küstenfischer erschienen zahlreich zu ihrem Begräbnis.

Der Körper der alten Snæfríður war völlig gekrümmt nach einem langen Leben voll harter Arbeit, in dem sie sich über sonnengetrockneten Salzfisch gebeugt, Kühe gemolken und um dreizehn Kinder gekümmert hatte, die alle das Erwachsenenalter erreichten. Diese rückenkrumme Frau, die das Leben geschunden und gebeugt und zu einem großen Fragezeichen geformt hatte, strickte ohne Unterlass bis zu ihrem letzten Atemzug weiter, wie gesagt wird, und aller Wahrscheinlichkeit nach starb sie mitten in einem Socken.

Das alte Ehepaar, Snæfríður und Þorsteinn, wohnte zusammen in einem Keller auf Kúvíkurnes, aber ihr Sohn und seine Familie leben auf dem Hof. Jetzt ist es eher traurig in Þorsteinns Umgebung. Er hat sicher ein paar Alterswehwehchen, aber er kennt eine unglaubliche Menge Strophen und Lieder aus alter Zeit. Þorsteinn hatte sich sicher eine ganze Weile darüber gewundert, dass seine Snæfríður nicht aufwachen und zu den Stricknadeln greifen wollte. Als die Leute auf dem Hof ihm sagten, dass Snæfríður gestorben sei, sprach er diese unvergesslichen Worte: Ach so, ist sie tot? Sie ist bis jetzt noch nie gestorben.

Und das war genau genommen ganz richtig, was Þorsteinn da sagte.

Der Wiesenrand um die Kirche war sattgrün geworden, und das Meer draußen blau und der Himmel, wie schon gesagt, m