Kapitel 2
Die Not an der Heimatfront
Kriegswaisen, Hunger und Heimweh – das Leid der Kinder
Mit der Kriegserklärung an Serbien und der Mobilmachung begann auch für die Kinder in Österreich-Ungarn eine schwere Zeit. Sie mussten von ihren Vätern Abschied nehmen, spürten die Bedrohungen des Krieges, ohne den Zusammenhang recht zu verstehen, und lebten in beständiger Angst. Bald bekamen sie selbst die Auswirkungen der Mangelwirtschaft zu spüren, litten Hunger, mussten sich nächtelang um Lebensmittel anstellen und konnten immer seltener in die Schule gehen. Schon bald nach Kriegsbeginn schnellte die Kindersterblichkeit hoch, von 1000 Babys starben 160 bei oder kurz nach der Geburt. Kinderkrankheiten wie Masern oder Scharlach rafften die geschwächten Kinder dahin. Und gegen Kriegsende führte die sogenannte »Spanische Grippe« auch bei Kindern zu einem Massensterben.
Viele Kinder wurden wegen Unterernährung und Lungenkrankheiten ins Ausland, vornehmlich in die Schweiz, verschickt. Es gab auch immer mehr Kriegswaisen, die in Heimen untergebracht werden mussten. Dieses ganze Kriegselend schildern, stellvertretend für das Trauma einer Generation, zwei Kinder in ihren Tagebüchern. Es sind seltene zeitgeschichtliche Dokumente, die teilweise in der Zeit und teilweise nach dem Krieg geschrieben wurden. Sie geben einen unmittelbaren und besonders berührenden Einblick in das Zeitgeschehen und die Gefühle der Menschen, die diese Zeit mitmachen mussten.
Martha Siedler, später verheiratete Rimser, geboren 1906 in Wien, war bei Ausbruch des Krieges acht Jahre, ihre Schwester Roserl sechs Jahre alt. Ihr Schicksal zeigt besonders anschaulich die Tragik der Kriegsjahre. Martha Siedler hat ihre Erlebnisse in Tagebüchern festgehalten oder unmittelbar nach Kriegsende aufgezeichnet.19
Es bleibt mir nichts anderes übrig, als gerade bei der Schreckenszeit, im ersten Kriegsjahr 1914, anzufangen. Das, was unsere kleinen Herzen vorher schon in Anspruch nahm, war nur Schönes, Heiteres. Der gute, oft strenge Vater ging zufrieden seiner