I Wie alles begann. Die schwierige Wiedererweckung einer alten Idee
Als der junge Pharao Cheops, der erst vor wenigen Monaten den Thron bestiegen hatte, an einem Spätherbstmorgen kundtat, er werde wahrscheinlich keine Pyramide für sich errichten lassen, verdüsterten sich bei denen, die es vernahmen, die Mienen. Es waren der Hofastrologe, die Vertrautesten unter seinen Ministern, der alte Ratgeber Userkaf und der Hohepriester Hemiunu, der zugleich Ägyptens oberster Baumeister war: Was für eine entsetzliche Botschaft!
Eine Weile lang durchforschten sie das Antlitz des Herrschers nach Anzeichen von Scherzhaftigkeit, dann versuchten sie sich, wie sie später voreinander bekannten, mit dem vom Pharao murmelnd eingeschobenen Wort »wahrscheinlich« zu trösten. Doch Cheops’ Gesicht blieb undurchdringlich, und die Hoffnung, es habe sich nur um eine jener sorglosen Bemerkungen gehandelt, wie sie junge Könige während der Morgenmahlzeit nun einmal gerne von sich geben, zerstob sogleich. Hatte er nicht erst vor ein paar Wochen zwei der ehrwürdigsten Tempel Ägyptens geschlossen und gleich darauf den Ägyptern per Dekret verboten, fortan Opfer darzubringen?
Cheops betrachtete ebenfalls prüfend ihre Gesichter. In seinen Augen lag ein spöttisches Funkeln, und je tiefer das Schweigen wurde, desto deutlicher sprach sein Blick: Schau an, so viel Kummer! Als ob es nicht meine, sondern eure Pyramide wäre. Bei den Göttern, diese von Demut entstellten Gesichter! Wie werden sie erst ausschauen, wenn ich einmal alt und grausam bin?
Wortlos und ohne sie noch eines Blickes zu würdigen, stand er auf und ging weg.
Als sie allein waren, schauten sie einander fassungslos an. Was für ein schrecklicher Schlag, seufzten sie. Einer der Minister suchte Halt an der Wand, denn ihm war schwindelig geworden. In den Augen des Hohepriesters standen Tränen.
Draußen erfand der vom Wind aufgewirbelte Sand endlos neue Bögen. Verzweifelt wanden sich die Schwaden vor ihren jämmerlichen Blicken in die Höhe. Keiner sagte etwas, aber in den leeren Augen lag die Frage: Und wie willst du den Himmel erklimmen, mein Herrscher? Wenn dein Tag kommt, wie gelangst du zu den Sternen, um einer von ihnen zu werden, wie es jedem Pharao gebührt? O Sohn der Sonne, wie willst du ihre glühende Gestalt erlangen?
Noch eine Weile lang redeten sie recht verrücktes Zeug, dann gingen sie auseinander. Zwei von ihnen ersuchten Khentkaus, die Mutter des Herrschers, um ein Gespräch, andere gingen, sich zu betrinken, der Rest, die Klügsten, stiegen hinab in den Keller, wo die alten Archive lagerten, um den schon halb erblindeten greisen Schreiber Ipuuri zu suchen.
Für den Rest des Herbstes wurde die Pyramide nicht mehr erwähnt, noch nicht einmal beim Empfang für die Botschafter, auf dem Cheops unter der Wirkung geistiger Getränke Dinge aussprach, die ein Pharao gewöhnlich vor Ausländern nicht in den Mund nimmt.
Die Höflinge hegten noch immer die Hoffnung, es sei nur eine Laune des Augenblicks gewesen, und manchmal glaubten sie sogar, der beste Weg, die Sache ein für allemal zu begraben, sei es, einfach nicht mehr darüber zu reden. Doch die Ahnung, daß wohl eher das Gegenteil der Fall war, plagte sie so sehr, daß sie Tag und Nacht grübelten, was unternommen werden konnte.
Manche setzten auf die Königinmutter, die bisher ebenfalls eine Antwort schuldig geblieben war, doch die meisten blieben dabei, im Archiv nachzuforschen. Je gründlicher sie es taten, desto größer wurden die Schwierigkeiten. Einige Papyri waren verschwunden, andere beschädigt, und auch bei den gut erhaltenen Archivalien waren ganze Teile ausgestrichen oder abgeschnitten worden, oft mit der Randnotiz »Auf Befehl von oben!«, ohne jede Begründung.
Auch unvollständig waren die Papyri eine wahre Schatzgrube. Man fand darin fast alles Wissenswe