9.
Am nächsten Tag ließ Gundolf von Steben nach dem Mittagessen anspannen, die fragenden Blicke seiner Frau ignorierte er, bis sie ihn direkt fragte, was er vorhabe.
»Ich fahre in die Stadt«, antwortete er mit einem gezwungenen Lächeln. »Ich soll doch Wilhelm Geld schicken. Dazu muss ich meinen Bankier aufsuchen.«
»Das ist gut«, sagte sie und lächelte ebenfalls. In seinem letzten Brief hatte Wilhelm geschrieben, dass er bald Urlaub beantragen und nach Hause kommen werde. Sie hatte schon überlegt, welche Nachbarn und Freunde sie dazu einladen sollte. Leider war unter den Töchtern dieser Familien keine zu finden, die eine Mitgift erhielt, mit der sie Steben wieder auf die Höhe bringen konnte.
»Ich werde wohl ebenfalls ausfahren und Besuche machen«, erklärte sie und hoffte, von einer ihrer Bekannten eine Erbin genannt zu bekommen, die es wert war, von Wilhelm vor den Traualtar geführt zu werden.
»Tun Sie das!« Die Gleichgültigkeit, mit der Gundolf von Steben antwortete, erboste Rodegard. Mit einem leisen Schnauben rauschte sie ab.
Ohne etwas auf ihren Unmut zu geben, nahm der Freiherr von seinem Kammerdiener Zylinderhut und Stock entgegen und verließ das Gebäude. Wenig später bestieg er seinen Wagen, nannte dem Kutscher das Ziel und lehnte sich in das Sitzpolster zurück.
Auf der Fahrt sah er Resa mit dem Korb zwischen den Bäumen hervortreten. Wie es aussah, hatte sie auch an diesem Tag den Waldarbeitern das Essen bringen müssen. Er ärgerte sich darüber, denn er hätte sich eine leichtere, aber auch sinnvollere Arbeit für das Mädchen gewünscht. Verbittert über die Hilflosigkeit, die er seiner Frau gegenüber empfand, sah er starr an Resa vorbei, als der Wagen sie passierte.
Das Mädchen blickte ihm verwundert nach. Am Tag vorher war der Freiherr freundlich zu ihr gewesen, doch nun schien es, als würde er es bereits bereuen. Mit einem Achselzucken ging Resa weiter und war froh, dass es an diesem Tag keine Probleme gegeben hatte. Aufgrund der Ereignisse am Vortag hatte die Köchin ihr sogar ein wenig Suppe und ein Stück Brot mehr mitgegeben, damit sie im Wald etwas essen konnte. Sie war daher halbwegs satt, und da es ein schöner Tag war, auch recht guter Laune. Diese wollte sie sich auch von Frau Rodegard und deren Hilfsdrachen Ida nicht verderben lassen.
Während Resa auf das Dorf zuging, erreichte Gundolf von Steben die Stadt und ließ seinen Kutscher vor dem stattlichen Gebäude der Bank anhalten. Da er nicht nur ein Herr von Adel, sondern auch ein treuer Kunde war, eilte ihm sofort einer der Angestellten entgegen und machte einen Bückling.
»Der gnädige Herr wollen wohl zum Herrn Direktor?«
»Das will ich«, antwortete der Freiherr und sah sich in der Bank um.
Ein paar Kunden standen an den Schaltern und zahlten Geld ein oder ließen sich welches geben. Hier ging es nur um ein paar Taler. Die besseren Herrschaften empfing der Bankdirektor persönlich in seinem Kontor.
Neben Gundolf von Steben wartete noch jemand darauf, zu diesem vorgelassen zu werden. Es handelte sich um einen mittelgroßen, breit gebauten Mann mit einem energischen Gesichtsausdruck. Obwohl er Handsch