: Hannes Sprado
: Das dunkle Ritual Thriller
: Refinery
: 9783960480662
: 1
: CHF 4.50
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der neue Fall von Kommissarin Judith von Matt und ihrem Team, den Experten für Verbrechen mit okkultem Hintergrund, ist an Grausamkeit kaum zu übertreffen. In einem Waldstück nahe Berlin wurde die ausgeweidete Leiche eines Kindes gefunden, das wahrscheinlich Opfer der Anhänger des afrikanischen Muti-Kultes geworden ist. Diese stellen ihre Muti-Medizin aus den Organen von Kindern her, die als besonders wirksam gelten, ganz besonders, wenn sie bei der Entnahme noch am Leben sind. Zu Recht vermuten die Ermittler, dass dies erst der Anfang einer grausamen Serie ist...

Hannes Sprado, 1956 geboren, war Redakteur und Chefredakteur mehrerer Zeitschriften. Seit 2006 ist er Herausgeber der P.M.-Zeitschriftengruppe. Er lebt mit seiner Familie in München.

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Ihre Gäste mussten jeden Augenblick kommen. Judith von Matt rührte die Majoran-Tomaten-Soße mit Krebsschwänzen um, die seit ein paar Minuten auf kleiner Flamme vor sich hin köchelte, zog die Spaghetti aus der Packung und legte sie neben den großen Topf mit gesalzenem Wasser. Die Vorspeisen – Oliven, Sardellen mit Kapern, Bresaola, fein geschnittene Paprika und Ziegenkäse – lagen hübsch garniert mit Petersilie und Zitronenscheiben auf einem blau-weiß gemusterten Porzellanteller aus der Zeit ihrer Großmutter. Für den besonderen Anlass standen drei entkorkte Flaschen eines 94er Bordeaux bereit, ein Spitzenjahrgang, der Judith von Matt ein kleines Vermögen gekostet hatte.

Sie goss sich ein Glas Prosecco ein, holte aus ihrem Schlafzimmer einen Band mit Theaterstücken von David Mamet, der in der Mitte des ersten Aktes von »Handlage Meerblick« aufgeschlagen war, und trat hinaus auf die kleine Dachterrasse.

Ein milder Sommerabendwind strich ihr übers Gesicht und verfing sich in den langen braunen Haaren, die in sanften Wellen über die Schultern und hinab auf das schwarze Top fielen. Sie blinzelte in die Sonne, die langsam hinter den Hochhäusern im Westen verschwand, aber noch so stark war, dass sie für einen Augenblick geblendet wurde. Sie setzte sich in einen weißen Korbstuhl, der in den vergangenen Tagen ihr Lieblingsplatz in der von einer Hitzewelle niedergedrückten Stadt geworden war, und begann zu lesen.

Wann immer sie die Zeit fand, las sie ein Drama. In der Badewanne, im Café, in der U-Bahn, beim Friseur. Aus Romanen machte sie sich kaum etwas und aus Sachbüchern, wenn sie nicht gerade ihre Arbeit betrafen, überhaupt nichts.

Solange sie denken konnte, hatte die Welt des Theaters sie fasziniert, weshalb sie von der neuen Einheit auch als ihrem »Ensemble« sprach.

In der Theater-AG des Alten Gymnasiums in Bremen hatte sie es in etlichen Inszenierungen zu bescheidenem Erfolg gebracht, vor allem in den Klassikern von Shakespeare, Kleist und Zuckmayer wusste sie zu überzeugen. Ihre Darstellung der Lady Macbeth trug ihr stehende Ovationen in der Aula ein und viel Lob von ihrem Schauspiellehrer. Sogar der »Weser Kurier« widmete der Aufführung in seinem Lokalteil eine wohlwollende Besprechung, in welcher der Kritiker der jungen Hauptdarstellerin ein »schneidiges Talent« bescheinigte. Daher war es nur logisch, dass sie sich nach dem Abitur, infiziert vom Theatervirus und angeregt durch die Werke bekannter Existenzialisten, einer ambitionierten Schauspielgruppe anschloss, die sich den amerikanischen Dramatikern verpflichtet fühlte, allen voran Arthur Miller, Thornton Wilder und Eugene O’Neill. Glücklicherweise begriff Judith beizeiten, dass sie vielleicht