: Markus Wagner
: Die Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts Zugleich ein Beitrag zu Begriff und Wesen des Wirtschaftsstrafrechts
: C. F. Müller
: 9783811443020
: 1
: CHF 100.00
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: Erzählende Literatur
: German
: 392
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Nach wie vor ist ungeklärt, was das Wirtschaftsstrafrecht eigentlich ausmacht. Konsentiert ist lediglich, dass das Wirtschaftsstrafrecht sich in vielen Aspekten vom restlichen Strafrecht unterscheidet. Häufig findet sich die Behauptung, es sei eine der Besonderheiten des Wirtschaftsstrafrechts, dass es akzessorisch gegenüber dem sonstigen Recht ist, die Strafbarkeit eines Verhaltens also auch von Fragen des Zivilrechts und des öffentlichen Rechts abhängig ist. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass hierin keine Besonderheit des Wirtschaftsstrafrechts liegt, sondern die Akzessorietät vielmehr einen allgemeinen Grundsatz des Strafrechts darstellt. Insbesondere ist die Frage, ob ein Straftatbestand akzessorisch ist oder nicht, unabhängig von der redaktionellen Formulierung des konkreten Deliktstatbestandes. Des Weiteren legt der Autor dar, dass die Besonderheit des Wirtschaftsstrafrechts in der Berücksichtigung von Selbstregulationsmechanismen der Wirtschaft liegt und sich hieraus eine eigenständige Dogmatik des Wirtschaftsstrafrechts rechtfertigt. Vor diesem Hintergrund untersucht der Autor, welche verfassungsrechtlichen, gesetzlichen und dogmatischen Grenzen dem Akzessorietätsphänomen gesetzt sind und welche Besonderheiten insoweit für das Wirtschaftsstrafrecht gelten. Auf Basis dieser Ergebnisse unterbreitet er schließlich verschiedene Reformvorschläge für das Strafverfahrensrecht.

Dr. Markus Wagner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Deutsches, Europäisches und Internationales Straf- und Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Umweltstrafrecht an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

I.Die Akzessorietät des Rechts im Allgemeinen


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Nur an sehr wenigen Stellen findet sich – jedenfalls im hier interessierenden Zusammenhang – das Stichwort der „Akzessorietät des Rechts“ bezogen auf das Recht im Allgemeinen. Eines der seltenen Beispiele hierfür stellt die Äußerung vonRotsch dar, die zur „Kluft zwischen Praxis und Wissenschaft“ führende „Überfeinerung der Dogmatik“ folge „nur zum Teil aus der bereits genannten Akzessorietät des Rechts“, wobei er an seine vorherige – diesmal allerdings speziell auf das Wirtschaftsstrafrecht bezogene – Aussage anknüpft, dessen Dogmatik sei „in besonderer Weise akzessorisch zur immer rasanteren Veränderung gesellschaftlicher, moralischer, politischer und technologischer Zustände.“[1] Und auch etwa beiKrüper findet sich – allerdings ohne den Begriff der „Akzessorietät“ – die Formulierung der „Abhängigkeit des Rechts, seine Bedingtheit durch Kultur, Tradition und Politik“[2].

1.Die in Frage kommenden Bezugsgegenstände des Akzessorietätsverhältnisses


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Stellt man diese Zitate den eingangs genannten Beispielen für die Verwendung des Akzessorietätsbegriffs gegenüber, so fällt auf, dass dort von der Abhängigkeit (wirtschafts-)strafrechtlicher Tatbestände vonnicht-strafrechtlichem Recht die Rede war, währendRotsch undKrüper hingegenaußerrechtliche Bezugsobjekte benennen. Dies legt den Gedanken nahe, dass das Recht im Allgemeinen in doppelter Art und Weise akzessorisch ist; nämlich zur Lebenswirklichkeit einerseits und zum übrigen Recht andererseits.

a)Annäherung an die Begriffe „Recht“ und „Wirklichkeit“


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Die Untersuchung dieser These gestaltet sich schwierig, weil weder der Begriff des „Rechts“ noch derjenige der „Wirklichkeit“ eindeutig definiert ist, ja beide Begriffe möglicherweise nicht einmal konsensfähig definierbar sind.

aa)Zum Rechtsbegriff


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BereitsKant konstatierte: „Noch suchen die Juristen eine Definition zu ihrem Begriffe vom Recht.“[3] Ein Blick in die einschlägige Literatur offenbart, dass sich an diesem Zustand seither kaum etwas geändert hat: Nur vereinzelt werden tatsächlich Definitionsversuche unternommen.[4] Die Antwort auf die Frage, was „Recht“ ist, sei „schwierig“[5], die genannte AussageKants könnte „auch in unserer Zeit gemacht worden sein“[6].Arthur Kaufmann trägt vor, dass eine streng logische Definition des Rechtsbegriffs nicht möglich sei, sondern dass je nach untersuchtem Gesichtspunkt mehrere funktional gesehen richtige Rechtsbegriffe denkbar seien, die nebeneinander best