Teil 1 Rechtstheoretische Grundlagen ›C. Die Basis der Untersuchung: Das Akzessorietätsphänomen › I. Die Akzessorietät des Rechts im Allgemeinen
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Nur an sehr wenigen Stellen findet sich – jedenfalls im hier interessierenden Zusammenhang – das Stichwort der „Akzessorietät des Rechts“ bezogen auf das Recht im Allgemeinen. Eines der seltenen Beispiele hierfür stellt die Äußerung vonRotsch dar, die zur „Kluft zwischen Praxis und Wissenschaft“ führende „Überfeinerung der Dogmatik“ folge „nur zum Teil aus der bereits genannten Akzessorietät des Rechts“, wobei er an seine vorherige – diesmal allerdings speziell auf das Wirtschaftsstrafrecht bezogene – Aussage anknüpft, dessen Dogmatik sei „in besonderer Weise akzessorisch zur immer rasanteren Veränderung gesellschaftlicher, moralischer, politischer und technologischer Zustände.“[1] Und auch etwa beiKrüper findet sich – allerdings ohne den Begriff der „Akzessorietät“ – die Formulierung der „Abhängigkeit des Rechts, seine Bedingtheit durch Kultur, Tradition und Politik“[2].
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Stellt man diese Zitate den eingangs genannten Beispielen für die Verwendung des Akzessorietätsbegriffs gegenüber, so fällt auf, dass dort von der Abhängigkeit (wirtschafts-)strafrechtlicher Tatbestände vonnicht-strafrechtlichem Recht die Rede war, währendRotsch undKrüper hingegenaußerrechtliche Bezugsobjekte benennen. Dies legt den Gedanken nahe, dass das Recht im Allgemeinen in doppelter Art und Weise akzessorisch ist; nämlich zur Lebenswirklichkeit einerseits und zum übrigen Recht andererseits.
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Die Untersuchung dieser These gestaltet sich schwierig, weil weder der Begriff des „Rechts“ noch derjenige der „Wirklichkeit“ eindeutig definiert ist, ja beide Begriffe möglicherweise nicht einmal konsensfähig definierbar sind.
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BereitsKant konstatierte: „Noch suchen die Juristen eine Definition zu ihrem Begriffe vom Recht.“[3] Ein Blick in die einschlägige Literatur offenbart, dass sich an diesem Zustand seither kaum etwas geändert hat: Nur vereinzelt werden tatsächlich Definitionsversuche unternommen.[4] Die Antwort auf die Frage, was „Recht“ ist, sei „schwierig“[5], die genannte AussageKants könnte „auch in unserer Zeit gemacht worden sein“[6].Arthur Kaufmann trägt vor, dass eine streng logische Definition des Rechtsbegriffs nicht möglich sei, sondern dass je nach untersuchtem Gesichtspunkt mehrere funktional gesehen richtige Rechtsbegriffe denkbar seien, die nebeneinander best