Teil 1 Die dogmengeschichtliche Entwicklung › A. Der „tatsächliche Zusammenhang“ im Geltungsbereich der Konkursordnung
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Von Vielen wird gegenwärtig im Rahmen der §§ 283 ff. StGB darauf hingewiesen, dass zwischen Bankrotthandlung und Zahlungseinstellung ein „Zusammenhang“ bestehen müsse, dessen Inhalt noch immer weitestgehend ungeklärt sei.[1] Auch in der Rechtsprechung des BGH ist das Erfordernis eines solchen „Zusammenhangs“ grundsätzlich anerkannt.[2] Hierbei stützt sich die neuere Judikatur des BGH zumeist auf eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1951[3], die indessen § 240 der Konkursordnung in der Fassung vom 20.5.1898[4] zum Gegenstand hatte. Diese Entscheidung im ersten Band der amtlichen Sammlung verweist nunmehr ihrerseits auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Konkursordnung.[5] Erforderlich ist es daher, gewissermaßen die Primärquellen des „tatsächlichen Zusammenhangs“ näher zu untersuchen.
Teil 1 Die dogmengeschichtliche Entwicklung ›A. Der „tatsächliche Zusammenhang“ im Geltungsbereich der Konkursordnung › I. Der „tatsächliche Zusammenhang“ im Kontext des einfachen Bankrotts
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Das Erfordernis eines „tatsächlichen Zusammenhangs“ entstammt einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1881.[6] Gegenstand der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zum „tatsächlichen Zusammenhang“ waren die §§ 209 ff. KO in der Fassung vom 10.2.1877:
§ 209 KO: Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen betrüglichen Bankerutts mit Zuchthaus bestraft, wenn sie in der Absicht, ihre Gläubiger zu benachteiligen, 1. Vermögensstücke verheimlicht oder bei Seite geschafft haben, 2. Schulden oder Rechtsgeschäfte anerkannt oder aufgestellt haben, welche ganz oder teilweise erdichtet sind, 3. Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder 4. ihre Handelsbücher vernichtet oder verheimlicht oder so geführt oder verändert haben, dass dieselben keine Übersicht des Vermögenszustandes gewähren.[7]
§ 210 KO: Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen einfachen Bankerutts mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft, wenn sie 1. durch Aufwand, Spiel oder Differenzhandel mit Waren oder Börsenpapieren übermäßige Summen verbraucht haben oder schuldig geworden sind, 2. Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder dieselben verheimlicht, vernichtet oder so unordentlich geführt haben, dass sie keine Übersicht ihres Vermögenszustandes gewähren, oder 3. es gegen die Bestimmung des Handelsgesetzbuchs unterlassen haben, die Bilanz ihres Vermögens in der vorgeschriebenen Zeit zu ziehen.[8]
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Die Konkursordnung in der Fassung vom 10.2.1877 basierte größtenteils auf den konkursstrafrechtlichen Bestimmungen des code de commerce, den reichsgesetzlichen Bestimmungen des 19. Jahrhunderts, mithin den §§ 259 ff. des Preußischen StGBs sowie den §§ 281 ff. des StGBs für das deutsche Reich.[9] Die erste Konkursordnung regelte, wie bei gleichzeitigem Andrängen mehrerer Gläubiger gegen einen