[1905?]
Ja, was ist der Mensch anderes als ein geistloses, blindes Insekt, das gegen ein geschlossenes Fenster anschwirrt? Instinktiv fühlt er jenseits der Glasscheibe helles Licht und Wärme. Er ist jedoch blind und kann das Licht nicht sehen; wie er auch nicht sehen kann, daß sich zwischen ihm und dem Licht etwas befindet. Daher versucht er beharrlich, sich ihm zu nähern. Er kann sich zwar vom Licht entfernen, ihm aber nicht näher kommen, als die Scheibe erlaubt. Wie kann ihm Wissen helfen? Er mag die Unebenheit des Glases erkennen, seine rauhe Beschaffenheit, mag feststellen, daß es hier dicker und dort dünner ist: Mit alledem aber, werter Philosoph, wieviel näher kommt er da dem Licht? Wieviel näher kommt er da dem Sehen? Und dennoch glaube ich, daß der geniale Mensch, der Dichter, in gewisser Weise vermag, die Glasscheibe zu durchdringen und ans äußere Licht zu gelangen; er empfindet Wärme und Freude, um so vieles weitergegangen zu sein als alle anderen, aber ist nicht selbster noch immer blind; ist er der Erkenntnis der ewigen Wahrheit tatsächlich näher gekommen? Lassen Sie mich meine Metapher noch ein wenig weiter fassen. Manche entfernen sich von der Glasscheibe zur falschen Seite hin, rückwärts; und kaum finden sie keine Glasscheibe[1] mehr vor, verkünden sie auch schon lauthals: »Wir haben es geschafft!«
(Orig. engl.)
Ich war ein von der Philosophie inspirierter Dichter, kein Philosoph mit dichterischen Fähigkeiten. Ich fand großen Gefallen daran, die Schönheit der Dinge zu bewundern und die poetische Seele des Universums im kaum Wahrnehmbaren und durch das verschwindend Kleine hindurch aufzuspüren.
Die Poesie der Erde ist niemals tot. Wir können vielleicht sagen, die vergangenen Zeiten waren poetischer, können aber auch sagen □
In allem ist Poesie – an Land und im Meer, in den Seen und an den Ufern der Flüsse. Auch in der Stadt – leugnet es nicht; sie ist deutlich sichtbar für mich, hier, wo ich sitze: In diesem Tisch ist Poesie, in diesem Blatt Papier, in diesem Tintenfaß; im Rattern der Fuhrwerke auf den Straßen ist Poesie, in jeder noch so geringen, gewöhnlichen, lächerlichen Geste eines Arbeiters, der auf der anderen Straßenseite das Ladenschild einer Metzgerei malt. Mein innerer Sinn beherrscht meine fünf Sinne dergestalt, daß ich die Dinge in diesem Leben – ich bin davon überzeugt – anders sehe als die anderen. Für mich sind – und waren – ein so lächerliches Ding wie ein Türschlüssel, ein Nagel in der Wand, die Schnurrhaare einer Katze reich an Bedeutung. Für mich hat ein Huhn, das mit seinen Küken quer über die Straße stolziert, etwas überaus Spirituelles. Der Duft von Sandelholz, eine alte Konservenbüchse auf einem Müllhaufen, eine im Rinnstein liegende Streichholzschachtel oder zwei schmutzige Papierfetzen, die an einem windigen Tag einander jagend die Straße hinabwirbeln, sind für mich von tieferer Bedeutung als menschliche Ängste.
Denn Poesie ist Erstaunen, Bewunderung, wie die eines vom Himmel gefallenen Wesens, das im vollen Bewußtsein seines Falls die Dinge erstaunt wahrnimmt. Wie die eines Wesens, das die Dinge in ihrer Seele kannte und versucht, sich dieses Wissen zu vergegenwärtigen, sich erinnernd, sie nicht so gekannt zu haben, nicht in dieser Form und unter diesen Gegebenheiten, sich aber an nichts anderes mehr erinnert.
(Orig. engl.)
Ein Künstler ist es sich schuldig, von Geburt an schön und elegant zu sein; denn wer die Schönheit verehrt, dem darf es nicht an ihr fehlen. Und es ist gewiß überaus schmerzlich für einen Künstler, nichts von dem in sich zu finden, wonach er strebt. Wen kann es beim Betrachten der Porträts von Shelley, K