Prolog
»Wem hast du davon erzählt?«
Robert Burgmüller wusste sofort, worauf Bernhardt Goller abzielte – und er wusste auch, dass er sich mit einer ehrlichen Antwort in Teufels Küche bringen würde. »Was meinst du damit?«
Goller verzog keine Miene. Wenn überhaupt, spiegelte sich in seinem Gesicht so etwas wie Mitleid wider. »Ich bin nicht zum Spaßen aufgelegt, Robert. Die Angelegenheit ist ernst. Ernster, als du es dir vorstellen kannst. Besser, du sagst uns die Wahrheit. Das wäre für alle am einfachsten. Auch für dich.«
Eindeutig eine Drohung, die nicht zuletzt deshalb wirkte, weil Burgmüller sich auf seinem Stuhl ziemlich isoliert vorkam. Auch die karge Zimmereinrichtung förderte sein Unwohlsein: weißgekalkte, nackte Wände, gefliester Boden, alte Fenster, hohe Decken. In einer Ecke standen ein paar mit Leintüchern abgedeckte Möbel, nach den Konturen zu urteilen zwei Sessel und eine Kommode. Abgesehen davon gab es nur noch Burgmüllers Stuhl und den Tisch daneben. Keine Bilder, keine Dekoration, nichts, was diesen Raum wohnlich machte.
Burgmüller seufzte innerlich auf. Er war der Einzige, der saß. Die drei anderen standen – Goller vor ihm, seine zwei Begleiter hinter ihm. Diese beiden machten Burgmüller besonders nervös, nicht nur, weil sie groß und kräftig waren und er nicht wusste, was sie hinter seinem Rücken taten, sondern vor allem, weil ihre Augen eine Kälte verströmten, die einem durch und durch ging. Das war das Erste, was ihm aufgefallen war, als Goller ihn hereingeführt hatte.
»Ich habe keine Ahnung, worauf du hinaus willst«, log Burgmüller, diesmal selbstbewusster. Ängstliches Verhalten wirkte oft verdächtig. Das wollte er unter allen Umständen vermeiden.
Bernhardt Goller fuhr sich mit zwei Fingern über das glattrasierte Kinn, wie ein Schachspieler, der sich seine nächsten Züge überlegt. Er war groß und sportlich, seine blonde Mähne harmonierte perfekt mit dem braungebrannten Teint, den er zweimal wöchentlich im Sonnenstudio auffrischte, wenn seine Firma ihm keine Zeit fürs Windsurfen oder Reiten ließ.
»Das Problem ist, dass ich dir nicht glaube«, sagte er. Das Bedauern in seiner Stimme klang vorgetäuscht. »Ich denke, du weißt ganz genau, was ich meine.«
Burgmüllers Zunge begann, am Gaumen zu kleben.
Auch das noch! Ein trockener Mund kommt einem Geständnis gleich!
Er versuchte, den Schluckreiz zu unterdrücken, weil er nicht wollte, dass man ihm das schlechte Gewissen ansehen konnte. Aber es gelang ihm nicht. Um abzulenken, legte er den Arm auf den Tisch neben sich, wobei er hoffte, dass die Geste halbwegs locker rüberkam.
Jetzt bloß nicht die Fassung verlieren.
Sein Blick wanderte durchs Fenster, was ihm etwas Zeit zum Nachdenken verschaffte. Draußen war der Himmel grau und wolkenverhangen. An den Bäumen auf der Wiese hing kaum noch Laub. Die Anlage war riesig, beinahe wie ein Park. Unter anderen Umständen und mit einer heißen Tasse Tee in der Hand wäre es das Bild eines perfekten Oktobertags gewesen.
Burgmüller beschloss, sich nicht länger in die Ecke treiben zu lassen. »Ich weiß nicht, was du mir anhängen willst, Bernhardt«, sagte er. »Aber ich lasse mich von dir nicht länger grundlos beschuldigen. Wenn du mir etwas vorzuwerfen hast, dann raus damit. Wenn nicht, schlage ich vor, dass wir wieder zu den anderen gehen.«
Goller sah ihn ein paar Sekunden lang aus seinen eisblauen, unberechenbaren Augen an. Schließlich presste er die Lippen zusammen und nickte.
Eine Sekunde lang