Poli is ein glokes Fet
In vielerlei Hinsicht war1962 ein großartiges Jahr. Die Beatles brachten mit »Love me do« ihre erste Single heraus, mit »Dr. No« kam der erste James-Bond-Film in die Kinos, die Rolling Stones um Mick Jagger und Keith Richards traten zum ersten Mal auf, im Radio wurde die erste »Pumuckl«-Hörspiel-Folge gesendet und in einem Krankenhaus in Münchens Stadtteil mit dem wunderbaren Namen Gern brachte mich im November meine Mutter zur Welt. Da mein Vater Nürnberger mit ostfriesischen Wurzeln ist, während meine Mutter aus Oslo stammt, können wir hier durchaus von einer handfesten deutsch-norwegischen Gemeinschaftsarbeit sprechen, die fast zwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges immer noch alles andere als selbstverständlich war. Während bei meinem Bruder ein Jahr zuvor die Geburt sehr dramatisch verlaufen war – meine Mutter litt während der Schwangerschaft unter einer schweren Nierenvergiftung, was dazu führte, dass mein Bruder noch vor dem Geburtstermin per Kaiserschnitt zur Welt kam –, blieb ich, wie man mir später sagte, im Soll: Ich kam nicht zu früh und nicht zu spät und vor allem kam ich da raus, wo ich neun Monate zuvor reingekommen war. Die Geburt verlief im Großen und Ganzen normal, und nach ungefähr acht Stunden war ich auf der Welt – »ein rundes, fröhliches Ding«, wie mich meine Mutter liebevoll beschrieb. Mir gefällt diese Beschreibung, denn ein fröhlicher Optimismus zieht sich durch mein Leben. Trotz der vielen dunklen und tiefschwarzen Momente, von denen hier noch die Rede sein wird, gehöre ich zu den Menschen, die am Horizont den hellen Schein wahrnehmen und für die das berühmte Wasserglas immer eher halbvoll ist.
Meine Eltern hatten sich beim Tanzen kennengelernt, was mich jedes Mal, wenn sie davon erzählen, freut. Denn kann man sich einen beschwingteren Moment des Kennenlernens vorstellen? Es war ein spätsommerliches Studentenfest in Oslo.
Mein Vater hatte ein Stipendium für sein Studium der Nordischen Philologie, meine Mutter studierte Germanistik. Sie konnten sich von Anfang an in zwei Sprachen unterhalten, ganz zu schweigen von der internationalen Sprache der Liebe, die sie ebenfalls gut beherrschten. Denn schon wenige Monate später war meine Mutter mit meinem Bruder schwanger. Für meinen Vater und meine Mutter stellte sich damit schnell die Frage, wo sie ihr gemeinsames Leben als junge Eltern verbringen sollten: in der Metropole am Fjord oder viele Breitengrade südlicher in der noch ziemlich neuen Bundesrepublik. Meine Eltern wägten ganz pragmatisch Chancen und Risiken ab, und gleich nach der Hochzeit fanden sie sich in einem Liegewagen der norwegischen Staatseisenbahn wieder, der sie fein säuberlich nach Männern und Frauen getrennt Richtung Deutschland brachte.
»Es war ja unsere Hochzeitsnacht«, erinnerte sich meine Mutter an die denkwürdige Reise. »Der Zufall wollte es, dass wir Wand an Wand lagen. Die ganze Nacht gaben wir