Beginnen wir mit einer Beichte: Ich habe keine leeren Prosecco-Pullen hinter den Gardinen versteckt. Auch gibt’s bei mir keinen Wodka zum Frühstück, ich detoxe regelmäßig und praktiziere seit fünfzehn Jahren Yoga. Morgens sitze ich artig auf meinem Meditationskissen und versuche, meine innere Mitte ausfindig zu machen. Man kann mich alles zum Thema gesunde Ernährung fragen, und auf dem Gebiet der radikalen Selbstliebe bin ich eine Expertin, weil ich finde, gut zu sich selbst zu sein, ist unwahrscheinlich attraktiv. Ach ja, und im Sommer2016 fiel ich im Mojo Club auf der Hamburger Reeperbahn mitten auf der Tanzfläche hin. An den Moment, als meine Wange mit einem Schlag auf dem Fußboden aufknallte, erinnere ich mich scharf. An dasDavor nicht ganz so präzise. Schuld daran war nicht die Absatzhöhe alleine, sondern auch der ein oder andere überflüssige Drink. Am Morgen darauf hatte ich eine schmerzende blaue Backe und eine Freundin an der Bettkante sitzen, die mir eine Hämatomsalbe vorbeibrachte. Es folgten Scham und der Satz, der nach solchen legendären Abstürzen so sicher ist wie das Amen in der Kirche: »Hach, aber es war doch so ein witziger Abend!« Ja, das stimmt, es war ein so witziger Abend, wenn er doch bloß nicht so unlustig ausgegangen wäre! Ich schämte mich nicht so sehr für die Blamage. Eher dafür, mich selbst mit einer solchen Wucht verletzt zu haben.
Meine Beziehung zu Alkohol war schon immer ambivalent. Betrinken und Betäuben machten mir von klein auf Angst. Mein Onkel starb an einer Überdosis Heroin, ein weiterer an der Trinkhalle. Alkohol bereitete mir als kindlicher Zuschauer Unbehagen, und ich stellte ihn später nicht nur dann in Frage, wenn ich derangiert erwachte. Dennoch, und das ist ein Widerspruch, mag ich ihn. Vielleicht gerade weil Alkohol mein Unbehagen und meine angeborene Wachsamkeit für die Dauer des Trinkens ausschaltet. Nüchtern betrachte ich ihn kritisch und misstrauisch. Ich achte mehr darauf, was, wie viel und wann ich trinke, als die meisten anderen Menschen. Wenn ich dann aber trinke, bin ich genau wie alle anderen auch: Ich möchte mehr davon haben. Ich liebe gesellige Abende, wenn nach dem Essen noch lange gequasselt und getrunken wird, man sich biegt vor Lachen, einer noch eine und noch eine Flasche Rotwein bestellt, ach kommt schon, noch einen Sambuca aufs Haus für alle, weil das Leben einfach wunderschön ist und sich in diesen Momenten unendlich anfühlt. Ich liebe Champagner, weil ich mich in der Sekunde, in der das Prickeln die Blutbahn erreicht, wie die coolste Sau unter der Sonne fühle. Ein High, das du mit keiner Cola hinkriegst. Frauen, die einen ganzen Abend an einem Mojito rumnuckeln, als seien sie Teenager, waren mir schon immer suspekt. Davon abgesehen stand ich noch nie auf Cocktails, die so tun, als seien sie Softdrinks. Ich mag es real, und ich mag den Rausch.
Seit meiner Jugend kehrt ein Albtraum immer wieder: Ich muss durch ein Treppenhaus gehen, in dem Junkies sitzen. Sie hocken benommen auf den Stufen und wenn ich vorbeiwill, versuchen sie, mir mit ihren Spritzen ins Bein zu stechen. Seit Neuestem träume ich immer wieder, dass ich einen Schluck aus einem Glas nehme und erst beim Runterschlucken kapiere, dass es sich um Alkohol handelt. Ich spucke ihn sofort aus und habe Angst, dass bereits ein kleiner Tropfen in meiner Kehle, meinem Magen und Blutkreislauf gelandet ist. Es ist interessant, dass ich weiter oben schrieb, dass mir Drogen und Alkohol schon immer Angst machten. Warum diesesund zwischen den beiden Begriffen? Weil man Alkohol nicht in einem Atemzug mit dem Wort Droge aussprechen darf. Dass es sich bei ihm dennoch um eine handelt, darf man nicht laut sagen, nicht mal leise zu sich selbst. Das will niemand hören, auch ich nicht. Aber es ändert nichts an der T