1Robert, der Prächtige
Jedes Mal, wenn Vater mit einem von uns Besuch von der Kleinbahn abholte, wies er an einer bestimmten Stelle mit der Peitsche auf ein fernes Gebäude und machte den mäßig interessierten Gast darauf aufmerksam: »Dort wohnt der Piepenhans.« Über Piepenhans, so genannt, weil er eine hohe Stimme hatte und in Kindheitstagen »Hänschen, piepe mal« sein Lieblingsspiel gewesen war, wurde gern geredet. Sein Schloss lag wie eine aufgeblähte, bemooste Kröte auf einer kleinen Anhöhe und konnte vor lauter Efeu kaum noch aus den Fenstern gucken. Die wuchtige eichene Doppeltür, an der sich nur noch ein Flügel bewegen ließ, trug Onkel Hans’ Wappen und war durchsiebt von Teschingkugeln. Piepenhans lebte ganz allein mit seiner Mutter in diesem Riesenkasten. Er war klein und rundlich, aber behende, und pflegte gern von sich »als Mann« zu sprechen. »Ich sage euch als Mann«, hatte er vor vielen Jahren als grünes Bürschchen auf einer Jagd herumgekräht, »ich werde mir mindestens fünf Söhne anschaffen.«
»Wie ich dich kenne, weißt du sogar schon ihre Namen«, sagte Onkel Karl kopfschüttelnd über diese Anmaßung, die sogar noch seine eigene übertraf.
»Richtig.« Piepenhans holte mit einem schnellen Schuss eine Krähe herunter. »Bestimmt wird ein Robert darunter sein.«
Er heiratete denn auch sehr jung. »Nun kannst du ja ans Anschaffen gehen«, sagte Vater auf der Hochzeit. Doch irgendwie lief die Sache schief. Piepenhans bekam eine Tochter nach der anderen. Bei der dritten hatte er in die Zeitung setzen lassen: »Diesmal noch mit großer Freude geben wir … bekannt«, bei der vierten starb seine Frau. Vor Schreck, wie man behauptete. Piepenhans gab nicht auf. Er heiratete zum zweiten Mal, die Witwe seines Bruders, was man sehr praktisch fand. »Die weiß wenigstens gleich, wo im Keller der Rotwein steht.« Doch die Ehe blieb kinderlos, und die Frau starb nach acht Jahren an Diphtherie. Inzwischen hatten seine vier Töchter das Haus verlassen und sich selbständig gemacht. Zu Hause ließen sie sich nur selten blicken. Der Vater hatte sich nie sehr um sie gekümmert, und die butterlosen Marmeladenbrote zum Frühstück sowie der Tick ihrer Stiefmutter, sie zur Abhärtung jeden Morgen mit kaltem Wasser zu übergießen, waren allzu lebhaft in ihrer Erinnerung geblieben. Zudem war das Gut Majorat und würde später sowieso an einen Vetter vererbt werden.
Jetzt also wurde Piepenhans’ Haus von seiner Mutter geführt, die noch sehr rege, aber ebenfalls sehr sparsam war. Das Mobiliar war ein Sammelsurium von Stilen. Keine Tür schloss richtig, und alles wackelte. War man bei Onkel Hans zu Gast, setzte man sich nur mit äußerster Vorsicht und stand ebenso behutsam wieder auf aus Angst, sich an Splittern und Nägeln Hosen und Röcke zu zerreißen. Dafür waren Hof und Maschinen hochmodern. Piepenhans war ein fortschrittlicher Landwirt. Die Ställe waren luftig, und die gut geputzten Kühe standen auf sauberem Stroh.
Einziger Ersatz für seine unerfüllt gebliebenen Vaterträume war sein Reitpferd, der Rappe Robert, den er gar nich